Wozu wird ein Sekretär verwendet? Zu mehr als nur zum Verfassen von Briefen.

Das multifunktionale Möbelstück ist zum (schicken) rettenden Element der ‚neuen Normalität‘ zu Hause geworden.
Innenraum mit umgewandeltem Sekretär in Cherry Hill, Massachusetts; entworfen von Liz Caan
Innenarchitektin Liz Caan hat den Sekretär in diesem Wohnzimmer in Cherry Hill im US-Bundesstaat Massachusetts in eine Theke verwandelt. Foto: Eric Roth

Es ist nicht verwunderlich, dass die Beliebtheit von antiken und Vintage-Sekretären in jüngster Zeit deutlich zugenommen hat, da immer mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten. Als attraktive und vielseitige Arbeitsplätze sind sie für viele die erste Wahl in belebten Haushalten, besonders in Räumen, die einen doppelten Zweck erfüllen: tagsüber als Büros und abends bzw. nachts als Wohnzimmer, Esszimmer oder Schlafzimmer.

„Sekretäre sind die perfekte Ergänzung für Ihr Zuhause, da sie dieser nicht nur einen Hauch Kultiviertheit verleihen, sondern als Möbel auch unglaublich praktisch sind“, sagt Jake Baer von der New Yorker Antiquitätengalerie Newel. Wir erläutern hier, was ein Sekretär ist, und betrachten dessen Entstehungsgeschichte, vielfältigen Stile und anhaltende Beliebtheit.


Was ist ein Sekretär?

Einfach gesagt ist ein Sekretär ein Möbelstück mit einer mit Scharnieren bestückten Schreibfläche, die sich öffnen oder herunterklappen lässt. Wenn die Klappe geöffnet ist, sind kleine, innenliegende Aufbewahrungsfächer – Sortierfächer, Regalfächer, Aussparungen oder Schubladen – zu sehen.

Herkömmlich besteht ein Sekretär aus zwei Teilen – einer Kommode unten und einem Schrank mit Fächern oben.

„Im Sekretär werden die geschäftlichen und oft auch privaten Dinge einer Person aufbewahrt“, sagt der Antiquitätenhändler Stanley Weiss, der sich auf englische und amerikanische Möbel des 18. und 19. Jahrhunderts spezialisiert hat. Er bietet eine schöne Schreibunterlage und enthält gleichzeitig Aufbewahrungs- und Ablagefächer für wichtige geschäftliche und private Dokumente. Die unteren Schubladen erfüllen natürlich eine ähnliche Aufgabe.“

Die Designfirma Koo de Kir platzierte einen antiken schwedischen Sekretär in einer Ecke dieses gemütlichen Arbeitszimmers in Montana.
Die Designfirma Koo de Kir platzierte einen antiken schwedischen Sekretär in einer Ecke dieses gemütlichen Arbeitszimmers in Montana. Foto: Michael Partenio und Stacy Kunstel

Im geöffneten Zustand ist der Sekretär eine dynamische, multifunktionale Wunderkammer. Im geschlossenen Zustand ist er ein raffiniertes, platzsparendes Möbelstück.

„Wenn man eine Dinner-Party veranstaltet, kann man einfach die Klappfront schließen, und der Sekretär sieht dann aus wie eine Art wunderschöne Kommode“, sagt Baer. Wenn man danach den Raum in ein Büro verwandeln will, muss man nur einen Stuhl dazustellen, die Klappe öffnen und anfangen zu arbeiten. Die Tatsache, dass er verschiedene Formen annehmen kann, macht seinen besonderen Reiz aus, ganz abgesehen von seiner wunderschönen Ästhetik.“


Die Geschichte des Sekretärs

Nach dem französischen Begriff des Möbelstücks – secrétaire – benannt, geht der Sekretär auf das 18. Jahrhundert zurück und vermutlich auf den Pariser Kunsttischler Jean-François Oeben, der für seine vorzüglichen Intarsienarbeiten und cleveren mechanischen Schreibtische bekannt war und als Erfinder des Sekretärs bzw. des Klappschreibtischs gilt.

Während die typische Klappfunktion des Sekretärs seit jeher die gleiche ist, haben sich die Materialien sowie dessen Konfiguration, Größe und Stil im Verlauf der Zeit verändert.

Zunächst wurden Sekretäre in der Regel aus exotischen Hölzern gefertigt, wie z. B. Rosenholz, Tulpenholz und Veilchenholz, während später Harthölzer wie Kirschbaumholz, Ahornholz, Eichenholz und Mahagoni gängiger wurden. Die Schreibtische wurden auch leichter, mit Freiraum, der aus der unteren Hälfte für die Füße des Schreibenden herausgearbeitet wurde, oder durch Schubladen, die durch Beine ersetzt wurden – womit sie tischähnlicher wurden.

„Mit der Wende des 18. Jahrhunderts handelte es sich beim neuen Stil in England um die Klappfront und die abgeschrägte Front [Teil der Sekretärfamilie, jedoch ohne Schrankaufsatz] war passé“, erklärt Weiss. „Im späteren Verlauf des 19. Jahrhunderts sehen wir flachere Giebeldreiecke und größere Klappfrontschreibflächen, wie z. B. im Sekretär der 1830er-Jahre in Philadelphia.“

„Wir sehen auch beim Oberteil einen Übergang von massiven, wunderschön erhöhten Paneeltüren zu aufwendigeren Glastüren mit unterschiedlichen Fenstertypen“, fährt Weiss fort. „In diesem Fall dient das Oberteil des Sekretärs nicht so sehr der Aufbewahrung und Ablage von Dokumenten, sondern ist ein Ort, um andere persönliche Besitztümer auszustellen – zum Beispiel Gegenstände aus Keramik oder Silber.“


Louis XVI.

Louis XVI.-Sekretär mit Intarsien aus Holz und Marmoroberteil, spätes 18. Jahrhundert
Louis XVI.-Sekretär mit Intarsien aus Holz und Marmoroberteil, spätes 18. Jahrhundert

Dieser im 18. Jahrhundert für Frankreich typische Stil markierte einen Übergang von den früheren, überladenen Rokoko-Designs hin zu geraden, einfachen Linien und den zurückhaltenden Formen des Neoklassizismus.


Chinoiserie

Dieser aus dem 17. Jahrhundert stammende, fantasiereiche Stil interpretiert chinesische Motive und Techniken, einschließlich Lackkunst, anhand einer westlichen Sichtweise. Während ein Sekretär oft ein Statement-Piece ist, sorgt ein Chinoiserie-Schreibtisch für Aufsehen.


Chippendale

Thomas Chippendale, Englands berühmtester Kunsttischler, pflegte Sekretäre aus Mahagoniholz zu fertigen, oft mit Kabriolbeinen im Queen-Anne-Stil und immer basierend auf vorzüglicher Handwerkskunst. Diese klassischen Stücke verwenden oft dunkle Hölzer oder Lackierungen und weisen Rokokoeinflüsse auf.


Biedermeier

Dieser in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland und Zentraleuropa beliebte Stil ist durch neoklassische Designelemente geprägt, darunter Säulen und Rollwerk sowie reichbemaltes Holzfurnier.


Maurice Jallot, Art déco-Sekretär, 1929

Art déco

Art déco-Sekretäre sind durch ihre stromlinienförmigen Umrisse und einfachen geometrischen Formen erkennbar. Viele Objekte haben Oberflächen, die mit von Art déco-Designern bevorzugten Materialien behandelt wurden, wie etwa Lack und Pergament.


Moderne der Mitte des Jahrhunderts

Die klaren Linien dieses Stils und die Betonung von Funktion gegenüber Form passen zu den praktischen Eigenschaften des Sekretärs. Beispiele aus der Moderne der Mitte des Jahrhunderts sind häufig in Teakholz oder Rosenholz gehalten.


Postmodern

John Kapel, Walnussholzkonsole mit Schranksekretär, 1980
John Kapel, Walnussholzkonsole mit Schranksekretär, 1980

Viele postmoderne und zeitgenössische Sekretäre sorgen durch ihre Leichtigkeit und Unbekümmertheit für eine Dekonstruktion der Form und reduzieren den Sekretär auf den Inbegriff eines wunderbaren Arbeitsplatzes.

„Ein erlesener Sekretär mit guter Provenienz verleiht seinem*seiner Besitzer*in Format und Glaubwürdigkeit – als Möbelstück ist er ein Grundpfeiler“, so Weiss. „In unserer Wegwerfgesellschaft werden erlesene Möbel stets vererbt und sagen viel über seine*n Besitzer*in aus.“

Ganz gleich, für welchen Stil oder welches Zeitalter Sie sich entscheiden oder wie Sie ihn nutzen möchten, der zeitlose, flexible Sekretär wird unweigerlich zu einem unentbehrlichen Bestandteil Ihres täglichen Lebens werden.


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