Gino Maggioni für Atelier di Varedo, Frisiertisch / Schminktisch, Eiche, Schmiedeeisen, verspiegelte Gläser, Italien, 1920er Jahre
Dieser Waschtisch, der von Gino Maggioni während seiner Zeit im Atelier di Varedo in den 1920er Jahren entworfen wurde, bietet einen faszinierenden Einblick in eine Werkstatt im Wandel - gefangen zwischen ererbter Handwerkskunst und der Anziehungskraft der modernistischen Reform. Auf den ersten Blick wirkt das Werk solide und architektonisch ausgewogen. Seine Silhouette aus Eichenholz ist kompakt und gleichzeitig durchsetzungsfähig, die Füße sind breit und verjüngen sich, was ihm einen bodenständigen Charakter verleiht. Seine Form entfaltet sich. Das Herzstück des Möbelstücks ist eine zentrale Schublade, die mit verschnörkelten schmiedeeisernen Griffen elegant akzentuiert ist. Auf beiden Seiten der Oberseite befinden sich Paneele, die sich aufklappen lassen und so versteckten Stauraum freigeben. Oben ist der Spiegel so angebracht, dass sein Winkel leicht eingestellt werden kann.
Die geschnitzten Oberflächen sind in ihrem Vokabular eindeutig dem Jugendstil zuzuordnen: organische, fließende Muster, die an sich entfaltende Blätter und blühende Blumen erinnern. Die Oberflächen erhalten eine reiche Textur, wobei die tiefen und dunklen Schnitzereien im Vordergrund stehen. Die geschnitzten Kanten sind ein subtiles, aber prägendes Merkmal. Entlang des Umfangs verläuft ein kontinuierlicher Rhythmus von feinen Hohlkehlschnitten, die das Stück anmutig konturieren. Letztlich spiegelt das Stück die Essenz des Atelier di Varedo unter Maggionis Leitung wider - eine Schnittmenge aus stilistischem Eklektizismus, durchdachtem Design, ausdrucksstarker Form und tief verwurzelter Handwerkskunst.
Biografie
In der sich wandelnden Designlandschaft der Lombardei zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlangte eine kleine Werkstatt rasch an Bedeutung: Das Atelier di Varedo, das 1923 gegründet wurde (auch bekannt als Atelier Borsani Varedo). Das Familienunternehmen wurde innerhalb von nur etwas mehr als einem Jahrzehnt zu einem Prüfstein der modernen italienischen Bewegung, der Handwerkskunst, Innovation und künstlerische Vision miteinander verbindet. Die Wurzeln der Familie Borsani liegen tief in der Welt der Möbelherstellung. Maria Galimberti und Gaetano Borsani stammten beide aus Familien, die seit dem frühen 19. Jahrhundert Holz verarbeiteten und Inneneinrichtungen herstellten. Es war dieses generationsübergreifende Wissen - diese eingebettete Kultur des Artigianato -, auf das Gaetano aufbaute, als er kurz nach dem Ersten Weltkrieg sein eigenes Studio gründete. Mitte der 1920er Jahre beschäftigte seine Werkstatt etwa zwanzig Mitarbeiter, ein bescheidener, aber seriöser Betrieb, der sich zunächst auf die Herstellung von Stilmöbeln konzentrierte, die dem bürgerlichen Nachkriegsgeschmack entsprachen.
Aber die Borsani-Werkstatt wollte nicht an die Vergangenheit gebunden bleiben. Ganz im Gegenteil. Die Firma hatte begonnen, sich auf modernere Ausdrucksformen zu konzentrieren. Die Stücke orientieren sich an der ausdrucksstarken Geometrie und den stilisierten Formen des Art déco und zunehmend auch an der geschwungenen, ornamentalen Eleganz des deutschen Jugendstils. Auf der anderen Seite gibt es eine unterschwellige, fast skulpturale Solidität, die an die Ästhetik des Novecento erinnert, mit Spuren futuristischer Abstraktion in den kühnen Konturen und der handwerklichen Dynamik einiger Werke. Es handelte sich nicht nur um ein oberflächliches stilistisches Update, sondern um einen philosophischen Wandel in der Art und Weise, wie Möbel konzipiert, produziert und bewohnt werden können. Die interne Bibliothek der Werkstatt, die mit den neuesten europäischen Designzeitschriften gefüllt ist, spricht Bände über ihren Appetit auf internationalen Einfluss.
Eine zentrale Rolle bei dieser Umgestaltung spielte Gino Maggioni, ein junger Architekt, der als so genannter Kreativdirektor in das Unternehmen aufgenommen wurde. Gaetano Borsani vertraute ihm die ästhetische Leitung des Unternehmens an, und Maggioni - mit großen Augen und Ehrgeiz - enttäuschte nicht. Maggionis intellektueller Werdegang wurde unter anderem durch seine Teilnahme an einem der bedeutendsten Architekturtreffen des 20. Jahrhunderts geprägt: dem ersten Congrès International d'Architecture Moderne (CIAM) im Jahr 1928 im Château de la Sarraz. Dort begegnete er Le Corbusier, Gerrit Rietveld, Alberto Sartoris und Pierre Chareau - Namen, die für die europäische Moderne stehen. Diese Erfahrung sollte sich als prägend erweisen, nicht nur für Maggioni persönlich, sondern auch für die Leitung des Atelier di Varedo. Unter seiner Leitung erhielt das Unternehmen - zumindest teilweise - einen neuen Namen, der seine Urheberschaft widerspiegelt. Es wurde Atelier di Varedo - diretto dall'architetto Gino Maggioni, Mobili d'arte G. e Gaetano Borsani Varedo. Dieses Label, so wortreich es auch erscheinen mag, markiert einen faszinierenden Moment in der italienischen Designgeschichte: die gemeinsame Unterschrift von Handwerker und Architekt, von Machen und Denken. Dies war nicht einfach nur eine Möbelproduktion - es war ein Atelier im wahrsten Sinne des Wortes. Anfang der 1930er Jahre endete die Amtszeit von Maggioni, und das Unternehmen änderte erneut seinen Namen: Atelier di Varedo, Gaetano Borsani Varedo (Mailand), was mit dem Zeitpunkt zusammenfiel, an dem Osvaldo Borsani begann, eine aktivere Rolle bei der Gestaltung der Zukunft des väterlichen Unternehmens zu übernehmen.