Vereint durch Design

6 renommierte Anbieter*innen sprechen über die Evolution des Geschmacks seit ihrer Zeit bei 1stDibs  

Besser kann man das 21-jährige Bestehen von 1stDibs wohl nicht feiern als mit einem Zusammentreffen einer Gruppe genialer New Yorker Design-Anbieter*innen, die zu unseren langjährigen Handelspartner*innen gehören. Zu Beginn des Sommers lud der Editorial Director von 1stDibs Anthony Barzilay Freund Paul Donzella, Benoist F. Drut (von Maison Gerard), Kim Hostler und Juliet Burrows (von Hostler Burrows), Evan Lobel (von Lobel Modern) und Liz O’Brien zu einer Diskussionsrunde via Zoom ein. Das Thema war die Welt des antiken, zeitgenössischen und Vintage-Designs sowie die Veränderungen, die die Anbieter*innen während ihrer langen Laufbahn im Umgang mit einigen der schönsten Dinge der Welt miterlebt – und zum Teil auch eingeleitet – haben.

Screenshot des Zoom-Meetings mit dem Editorial Director von 1stDibs Tony Freund und New Yorker Anbieter*innen
Der Editorial Director von 1stDibs Tony Freund (oben Mitte) leitete vor Kurzem eine Diskussionsrunde via Zoom mit berühmten New Yorker Anbieter*innen (im Uhrzeigersinn von oben rechts): Juliet Burrows (von HOSTLER BURROWS), Liz O’Brien, Paul Donzella, Kim Hostler (die andere Hälfte von Hostler Burrows), Evan Lobel (von LOBEL MODERN) und Benoist F. Drut (von MAISON GERARD). Sie trafen sich, um über vergangene und aktuelle Trends im Handel und beim Sammeln zu diskutieren.

Anthony Barzilay Freund: Herzlich willkommen. Ich freue mich sehr, dass ihr unser Jubiläum mit uns feiert, denn ihr seid praktisch seit der Gründung von 1stDibs mit von der Partie. Es kommt mir vor, als würde ich euch alle schon ewig kennen. Wie wäre es, wenn ihr euch einfach selbst vorstellen würdet?

Juliet Burrows Ich bin Juliet Burrows. Ich bin eine Partnerin bei Hostler Burrows. Wir haben unsere erste Galerie 1998 eröffnet und uns auf skandinavisches und nordisches Design spezialisiert. Unser Schwerpunkt liegt auf Studiokeramik und internationalem, zeitgenössischem sowie Vintage-Design.

Kim Hostler: Ich bin Kim Hostler, Juliets Partnerin bei Hostler Burrows. 

Liz O’Brien: Meine Galerie heißt Liz O’Brien. Wir haben sie 1993 eröffnet. Ich habe mich auf amerikanisches Design der Mitte des Jahrhunderts spezialisiert. Dazu kommen französische und italienische Designer*innen, und in letzter Zeit haben wir zeitgenössische Anbieter*innen ins Portfolio aufgenommen.     

Evan Lobel: Ich bin Evan Lobel. Meine Galerie heißt Lobel Modern. Ich habe sie 1998 eröffnet und der Schwerpunkt liegt auf amerikanischem Design aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Dabei stehen insbesondere die Sechziger, Siebziger und Achtziger im Mittelpunkt. Ich handle mit Möbeln, die in die Kunst übergehen. 

Paul Donzella: Ich heiße Paul Donzella und bin der Inhaber von Donzella, Ltd. Meine Firma wurde 1994 gegründet. Ich habe mich auf Nachkriegsdesign aus Italien und Amerika mit Schwerpunkt auf Keramik und Skulpturen spezialisiert.

Benoist F. Drut: Ich bin Benoist Drut, Inhaber von Maison Gerard. Das Geschäft wurde 1974 von Gerardus A. Widdershoven gegründet. Wir haben uns auf edle Möbel, Leuchten und Kunstgegenstände französischer Meister*innen aus der Art déco-Zeit spezialisiert. Darüber hinaus bieten wir aber auch zeitgenössisches Design von Visionär*innen des 21. Jahrhunderts an. 
 

Porträt von Evan Lobel
In seiner Galerie konzentriert sich Evan Lobel auf amerikanisches Design des 20. Jahrhunderts, insbesondere auf Objekte aus den 1960er, 1970er und 1980er Jahren, die die Grenze zwischen Möbelstücken und Kunst verwischen. Hier sieht man ihn vor einem Bullseye-Spiegel von Karl Springer mit seinem Papagei Henri auf der Schulter. Foto: Alexandra Rowley

Tony: Großartig. Vielen Dank. Was mich als Erstes interessieren würde, wäre zu erfahren, was euch überhaupt in die Welt des Designs geführt hat. Was hat euch daran gereizt? 

Evan: Ich habe über zehn Jahre lang für einen Hedgefonds gearbeitet. Da gab es nicht viel Interaktion mit anderen Menschen und es war nicht sehr kreativ. Ich wollte gerne einen Karrierewechsel und durch meine Freundschaft mit Paul Donzella hatte ich bereits eine Leidenschaft für Design und Möbel der Mitte des Jahrhunderts entwickelt. Ich wünschte mir, tagtäglich schöne Dinge durch meine Hände gehen zu lassen und mehr über diese unglaublichen Designs der Mitte des Jahrhunderts zu lernen.     

Tony: Was war das erste Objekt, das du entweder für dich selbst oder für die Galerie gekauft hast? 

Evan: Ich hatte schon eine Weile gesammelt. Da gab es eine starke Neigung zu T.H. Robsjohn-Gibbings, Edward Wormley und Harvey Probber. Als ich meine Galerie gerade eröffnet hatte, wurden viele Objekte aus meiner persönlichen Sammlung zu meinem Ausstellungsraum. 

Tony: Möchte noch jemand etwas über seine Anfänge erzählen?

Liz: Ich bin eigentlich nur durch Zufall darauf gestoßen. Ich nahm eine befristete Stelle bei Alan Moss an. Dann arbeitete ich kurz mit Tony DeLorenzo zusammen. In der Zwischenzeit begann ich, Märkte zu besuchen. Ich glaube, wir hatten alle großes Glück, als wir in diese Branche eingestiegen sind. Es gab so viele aufregende Dinge, die zum ersten Mal auf den Markt kamen. Es gab nicht viel Dokumentation, sodass wir alle viel recherchieren mussten. Wir haben so viel zum ersten Mal gelernt. Und ich war Feuer und Flamme.  

Teile eines Keramikservice von Guido Gambone auf einem Esstisch von Philip und Kelvin LaVerne und Esszimmerstühle von Paul Evans
Teile eines KAFFEE- UND ESPRESSOSERVICE aus Keramik von Guido Gambone stehen auf einem CHAN-ESSTISCH von Philip und Kelvin LaVerne umgeben von Patchwork-ESSZIMMERSTÜHLEN von Paul Evans. Foto: Alexandra Rowley

Tony: Worauf hast du dich spezialisiert, als du dich selbstständig gemacht hast, Liz?  

Liz: Als ich in der Forty-one Wooster Street eröffnete, interessierte ich mich sehr für die vierziger Jahre, für Mode und Surrealismus. In Paris war das sehr in Mode, aber in New York gab es niemanden, der sich damit befasst hat. Daher bin ich oft nach Paris gereist. Und dann habe ich mich auch mit interessanten amerikanischen Objekten beschäftigt. 

Tony: Welche Art von amerikanischen Objekten?

Liz: Designer wie Charles Eames und George Nelson wurden bereits in großem Umfang gesammelt, aber das hat mich nicht wirklich interessiert. Ich begann damit, Objekte von Samuel Marx und Robsjohn-Gibbings zu kaufen. Das wurde dann unser Schwerpunkt. 

Benoist: Ich erinnere mich an die frühen Jahre, als ich für einen Kunden einkaufte. Damals hatte Liz die schönsten Objekte von Samuel Marx. Alles kam damals aus dem Nachlass. Das war sehr neu. Der Markt war unbekannt. 

Liz: Jetzt haben wir all diese Bücher, aber damals war es anders. Früher kamen die Leute in meine Galerie und fragten: „Welche Bücher kann ich bekommen?“ Es gab die Bücher von Martin Battersby, und das war’s auch schon. Ich empfahl dann Bücher über Mode und Surrealismus. 

Porträt von Liz O’Brien
O’Brien eröffnete ihre Galerie im Jahr 1993. Heute ist sie auf amerikanisches Design der Mitte des Jahrhunderts spezialisiert, aber auch auf französische und italienische Objekte sowie auf eine wachsende Zahl von Werken zeitgenössischer Anbieter*innen. „Ich glaube, wir hatten alle großes Glück, als wir in diese Branche eingestiegen sind“, sagt O’Brien über sich und die anderen Teilnehmenden der Diskussionsrunde. „Es gab so viele aufregende Dinge, die zum ersten Mal auf den Markt kamen. Es gab nicht viel Dokumentation, sodass wir alle viel recherchieren mussten. Wir haben so viel gelernt … Und ich war Feuer und Flamme.“ Foto: Alexandra Rowley

Tony: Ihr alle habt euch wirklich einen Weg durch unerforschtes Gebiet gebahnt. 

Paul: Wenn man eine*n Designer*in kennenlernt, von dem*der man noch nie etwas gehört hat, haben die Objekte etwas Mystisches, und man beginnt, sich vorzustellen, was diese Person wohl noch alles kreiert hat. Wie die anderen schon sagten, hatte man keine Bücher, die man zurate ziehen konnte, und das bewegte einen dazu, selbst mehr herauszufinden. Es war fast genauso aufregend, Dokumentationen zu den Designer*innen zu recherchieren, wie die Objekte selbst zu finden. Beim Blättern durch die Seiten fand man mehr als in der Realität. Man löste Rätsel, indem man alte Zeitschriften und Publikationen durchforstete.

Benoist:  Gerard hat die Galerie 1974 gegründet und damals sammelten wir die verschiedenen Publikationen aus der Zeit unserer Möbel – Zeitschriften aus den zwanziger, dreißiger Jahren und so weiter. Sie waren unsere einzige Wissensquelle. Es war ein ganz anderes Abenteuer. Man konnte nicht einfach auf einen Flohmarkt gehen und dann etwas googeln. Man musste einfach ein Risiko eingehen.  

Tony: Benoist, erzähl doch mal, wie du in dieser Welt gelandet bist. 

Benoist: Meine Eltern sind nie in ein Möbelhaus gegangen, um etwas Neues zu kaufen. Das lag einfach nicht in unserer DNA. Meine Mutter ging zum örtlichen Antiquitätenhändler. Ich bin in einem kleinen Dorf nur eine Stunde von Paris entfernt aufgewachsen, aber das war eine völlig andere Welt. Im Alter von zehn Jahren bat ich darum, die Anbieter*innen in Paris zu besuchen. Ich habe dann Jura studiert, weil ich Auktionator werden wollte. Damals war dafür in Frankreich ein Jurastudium erforderlich. Mir wurde dabei sehr schnell klar, dass Jura nicht meine Welt ist. Nachdem ich für ein Auktionshaus in Paris gearbeitet hatte, kam ich nach New York und begann für den legendären Sammler und Händler Roger Prigent von Malmaison zu arbeiten. Dann ging ich zu Karl Kemp und lernte anschließend Gerard kennen und der Rest ist Geschichte.

Tony: Kim, möchtest du etwas über deine Anfänge erzählen? 

Kim: Ich bin in diesem Geschäft aufgewachsen: Meine Mutter war Künstlerin, und mein Vater reparierte Objekte, die wir zur Versteigerung brachten. Einige meiner ersten Erinnerungen als Kind waren die Besuche von Landauktionen. Umgeben sein von schönen, handgefertigten Dingen war schon immer ein Teil meines Lebens. Aber ich habe auch auf einer Rennbahn gearbeitet. Ich wurde Assistenztrainerin und bekam vierzig Fohlen in Ocala, Florida, angeboten. Zur gleichen Zeit handelte ich – ich kaufte und verkaufte. Und ich hatte Mark Isaacson [der New Yorker Fifty/50 Gallery] eine Menge Eames-Möbel aus Südkalifornien verkauft. Ich hatte vor, die Objekte an Mark zu übergeben und dann nach Florida weiterzufahren. Als ich Mark kennenlernte, gab er mir ein Buch – Glass 1959 – und sagte: „Wenn du etwas in diesem Buch findest, kaufe ich es dir ab.“ Und er fragte: „Warum gehst du nach Florida? Komm doch nach New York.“ Und er stellte mich an. Ich beschloss, die Pferde hinter mir zu lassen, und zog zurück nach Philadelphia, wo ich aufgewachsen bin. Dann begann ich, Objekte für Mark aufzuspüren. Ich arbeitete als Künstlerassistentin für David Deutsch im West Village, als ich Juliet auf einer meiner Erledigungsrunden kennenlernte. 

Bildercollage aus den Galerien von Lobel und O’Brien
Vintage-Ansichten von Lobel und O’Brien aus den letzten zwei Jahrzehnten.

Tony: Paul, ich glaube, in deiner Geschichte kommen einige andere Teilnehmende dieses Zoom-Calls vor. Erzähl uns doch mal, wie du in dieser Welt gelandet bist.

Paul: Ich habe schon von Kind an immer alles Mögliche gesammelt. Angefangen habe ich mit Schallplatten und auch mit Vintage-Kleidung. Und dann lebte ich in New York und arbeitete im El Teddy’s, [dem berühmten Restaurant in Tribeca]. Ich ging regelmäßig die Lafayette Street entlang, wo es fünf oder sechs Geschäfte mit Objekten aus der Mitte des Jahrhunderts gab. Ich wurde zunehmend neugieriger. Also begann ich, in die Geschäfte hineinzugehen. In der Zwischenzeit hatte ich bei der Arbeit einen Vorgesetzten, der zur gleichen Zeit diese Art von Objekten für sich entdeckte. Also fingen wir an, gemeinsam Ausflüge zu machen und nach Stücken zu suchen. Und von da an eskalierte das Ganze irgendwie. Ich lernte einen Zeitschriftenhändler kennen, als ich verzweifelt auf der Suche nach Dokumentation war. Er verkaufte mir eine Sammlung der Zeitschrift Interiors – eine komplette Reihe von 1947 bis 1964. Ich wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, dass das wahrscheinlich die wichtigste amerikanische Zeitschrift für Innenarchitektur war. Und so … eröffnete sich mir der gesamte Markt für Objekte der Mitte des Jahrhunderts in einem anderthalb Meter hohen Stapel von Zeitschriften. Damit begann meine Leidenschaft. 

Tony: Hast du sie noch? 

Paul: Ja, ich habe sie noch. Und jede Ausgabe enthält eine Seite mit Notizen, die ich gemacht habe. Nach ein paar Jahren eröffnete ich mein erstes Geschäft und direkt am ersten Tag lernte ich Benoist kennen. Ungefähr drei Monate später kam Evan dazu. Ich habe all diese Leute kennengelernt. Und Juliet und ich haben zusammen im Restaurant gearbeitet, als sie noch Tänzerin war. Es war eine wirklich aufregende Zeit. Und, wie Liz schon gesagt hat, der Markt war frisch und so neu. Es gab so viel, was noch nicht herausgekommen war. Ich erinnere mich, wie Liz mir einmal sagte: „Beim Art déco ist es einfach so, dass ganz viele der besten Sachen bereits auf dem Markt sind. Aber bei Objekten der Mitte des Jahrhunderts ist das Beste noch gar nicht zum Vorschein gekommen.“ Ich fand das sehr beeindruckend und es trieb uns auch voran – die Dinge zu finden, von denen wir nicht einmal wissen, dass sie existieren.

Porträt von Kim Hostler und Juliet Burrows
Hostler und Burrows eröffneten ihre Galerie 1998 und konzentrieren sich auf skandinavische und nordische Objekte. Ihr Schwerpunkt liegt auf Studiokeramik und internationalem, zeitgenössischem sowie Vintage-Design. Hier posieren sie mit zwei Werken der dänischen Künstlerin Karen Bennicke, die in der jüngsten Ausstellung der Galerie „BEND, BUBBLE AND SHINE: COPENHAGEN CERAMICS AT HOSTLER BURROWS“ gezeigt wurden. Foto: Alexandra Rowley

Tony: Treibt euch das auch heute noch an, dieses Gefühl der Entdeckung? Vielleicht kann Juliet jetzt ihre Anfänge beschreiben? Danach würde ich dann gerne noch weiter darauf eingehen.  

Juliet: Mein Vater war Professor, und das erste Jahr meines Lebens verbrachte ich im schwedischen Lund, weil er ein Urlaubsjahr eingelegt hatte. Und als Kim und ich anfingen, gemeinsam zu handeln, wurde mir bewusst, dass meine Eltern einige Dinge aus Schweden mitgebracht hatten, wie z. B. einige wunderschöne kleine Höglund-Aschenbecher, die ich als Kind sehr bewundert hatte. Ich fühlte mich schon immer zu Objekten und schönen Dingen hingezogen. Meine Großmutter war Designerin, und sie hatte jahrelang ein Atelier im D&D-Gebäude. Ihr Name war Roz Burrows. Sie wohnte am Sutton Place und hatte all diese schönen Lampen und Objekte. Alles war gepolstert. Es war eine ganz andere Welt als das Haus, in dem ich in New Jersey aufgewachsen bin. Und ich glaube, sie war für mich wirklich ein Fenster in eine Welt des Designs, von der ich nicht wusste, dass sie existierte. 

Ich tanzte hauptberuflich für Mark Morris, als ich Kim 1994 auf einer Party kennenlernte. Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich in ihre Wohnung in der Greenwich Avenue kam – sie hatte Skulpturen und wunderschöne Gemälde und einige Glasvasen, die man einfach ernst nehmen musste. Und ich fragte mich: „Wer ist diese Person?“ Ich habe bei El Teddy’s gearbeitet – Paul hat mich sogar eingearbeitet. Wie man sich vorstellen kann, gab es lange Nächte, und es war eine lustige Zeit. Wenn ich morgens aufwachte, war Kim schon stundenlang am Telefon gewesen und hatte Dinge verkauft. Das war für mich ein völlig fremdes Konzept. Später tanzte ich in einer Oper in London, und in meiner Freizeit ging ich auf den Alfies Antique Market. Ich habe dort einige dänische Vasen gefunden und war ganz begeistert. Ich stellte sie auf die Fensterbank, und sie erinnerten mich an etwas, das in mir und in meiner Beziehung zu Kim aufblühte, denn wir hatten uns wirklich verliebt. Und es war ein so schöner, natürlicher Übergang in eine andere Karriere.  

Kunst von Hostler Burrows
Bei „Bend, Bubble and Shine“ wurden auch Werke des zeitgenössischen, dänischen Künstlers STEEN IPSEN ausgestellt. Foto: Alexandra Rowley

Tony: Wie seid ihr dazu gekommen, eine Galerie zu eröffnen?

Juliet: Kim und ich hatten schon früh angefangen, gemeinsam nach Stockholm zu reisen und Dinge buchstäblich in unseren Koffern mitzubringen. Wir haben uns auf dem Flohmarkt weitergebildet und an einige andere Anbieter*innen verkauft. Ich habe gerne recherchiert, etwas über die Designer*innen gelernt und schöne Exemplare gefunden. Und dann sagten wir: „Komm, wir eröffnen eine Galerie.“ 

Tony: Was habt ihr anfangs verkauft?  

Juliet: Dieses Material war wie gesagt total unbekannt. Keiner hatte je von Finn Juhl gehört. Wir brachten Axel Salto und Berndt Friberg in die USA und stellten diese Keramiken vor. Es war aufregend. Aber es war auch eine Herausforderung, in New York ein eigenes Unternehmen zu haben. In Zeiten, in denen das Geschäft langsam lief, dachten wir immer: „Das klappt nie. Wir werden nie wieder etwas verkaufen.“ Und plötzlich erschien irgendetwas wie aus dem Nichts. Kim meinte immer: „Der Gott der Antiquitäten sorgt für uns.“

Tony: Das gefällt mir. Das könnte doch fast der Titel dieser Story sein! Ich möchte den Gedanken rund um die Entdeckung von Neuem und dem steten Lernen noch einmal aufgreifen. Ist das immer noch der Antrieb für euch alle? 

Benoist: Ja. Letzten Monat entdeckte ich in London einen Hersteller aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert, 1910, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Damit begann eine neue Suche. In drei, vier Jahren werden wir die Ergebnisse sehen.

Porträt von Paul Donzella
Für seine gleichnamige Galerie wählt Donzella sorgfältig Nachkriegsdesigns aus Italien und Amerika aus. Er steht hier zusammen mit einer (von links) MoonWalk-Stehlampe von Lorin Silverman, dem Ohrensessel „Modell #6053B“ von Osvaldo Borsani für ABV, einem NACHTTISCH von Paolo Buffa mit einer Assemblage-Skulptur von David Haskell und einem ARCHITEKTONISCHEN BEISTELLTISCH mit einer Tischlampe von Alessandro Pianon für Vistosi. In den Regalen hinter ihm stehen unter anderem Werke von CAS Vietri, Robbie Heidinger, William Lemariey, LUCIEN PETIT sowie Roberto Giulio Rida und William Tarr. Foto: Alexandra Rowley

Paul: Ich entdecke ständig neue Sachen – neue Designer*innen, Künstler*innen. Und ich entwickle gerade eine Vorliebe für Elemente, die ich vor zehn Jahren noch nicht unbedingt in Betracht gezogen hätte. Mindestens einmal pro Woche lerne ich zum ersten Mal jemanden kennen, der eine Leidenschaft für etwas in meiner Galerie teilt, und ich kann die Person dann aufklären und ihre Neugierde stillen. 

Tony: Inspiriert euch das alle, wenn ihr Sammler*innen begegnet und dann die Begeisterung für etwas Neues wecken könnt? Oder wenn ihr mit anderen Enthusiast*innen in Kontakt tretet?

Evan: Ich denke, wir sind alle sehr engagiert dabei, den Prozess des Lernens und der Verbreitung von Wissen auf dem Markt voranzubringen. Viele unserer Galeriebesucher*innen wollen etwas über die Designer*innen erfahren, die ihnen gefallen, zum Beispiel Philip und Kelvin Laverne oder Paul Evans oder Karl Springer. Und es ist wie eine Offenbarung, wenn man genügend Informationen bereitstellen kann, um bei der Kundschaft ein leidenschaftliches Interesse zu wecken. 

Liz: Ich weiß noch, wie ich auf Messen in Frankreich ankam und all die Lastwagen sah und das Gefühl hatte: Oh, hier bin ich zu Hause. Wenn man sich bewusst wird, dass man auf Gleichgesinnte trifft, mit denen man eine tiefe Neugier teilt. Wenn wir auf Märkten waren, gefiel es mir immer ganz besonders, wenn wir uns danach zusammensetzten und alle von ihren Funden und neu erlernten Details berichteten.  

Juliet: Ich glaube, deshalb haben viele Anbieter*innen auch begonnen, mit zeitgenössischen Designer*innen und Künstler*innen zusammenzuarbeiten. Kim hat ihre Wurzeln im Vintage-Bereich. Für mich hingegen geht es um Beziehungen und darum, mich von Künstler*innen inspirieren zu lassen und ihre Werke auf den Markt zu bringen. Es gibt eine Fülle von Materialien, die wir noch nicht wirklich entdeckt haben. 

Passende Sessel neben einer Holzanrichte
Bei Donzella flankieren ZWEI STILISIERTE OHRENSESSEL einen ZWEITÜRIGEN SCHRANK VON BORSANI FÜR ABV, auf dem ein PAAR TISCHLAMPEN von Max Ingrand für Fontana Arte und eine Wolkenskulptur von Chris Gustin stehen. Der Strategie-Cocktailtisch stammt von Philip und Kelvin LaVerne. Foto: Alexandra Rowley

Tony: Was das zeitgenössische Design betrifft, frage ich mich, wie sich die Sammler*innen an die Veränderungen anpassen. Vor einer Generation gab es Sammelnde, die sich nur auf ein Thema konzentrierten – zum Beispiel französische Möbel aus dem 18. Jahrhundert. Heute scheint es so, als ob man schöne Objekte in jeder Kategorie sammelt – Antiquitäten, Vintage-Objekte und zunehmend auch zeitgenössisches Design. 

Benoist: Ich denke, es war eine natürliche Entwicklung. Wir alle haben unterschiedliche Ursprünge und Hintergründe. Wir leben nicht wie Marie Antoinette nur mit Möbeln aus dem 18. Jahrhundert. Man hat außerdem ein paar sehr moderne Möbel und ein bequemes Sofa. Das verkörpert besser, wer wir wirklich sind. 

Paul: Für mich war es eine Art Offenbarung, mit zeitgenössischen Designer*innen zusammenzuarbeiten. Und wie viele meiner Mitstreiter*innen verspürte ich anfangs einen großen Widerstand, weil sich alles um Vintage drehte und einige Leute zeitgenössisches Design mit Reproduktionen von Vintage-Stücken verwechselten – das war für uns nicht schön zu sehen. 

Aber als ich anfing, mit zeitgenössischen Designer*innen zusammenzuarbeiten – der erste war der Franzose Alexandre Logé, mit dem ich auch jetzt noch zusammenarbeite – konnte ich die Entwicklung eines Objekts miterleben und mit dem*der Designer*in in einen echten Dialog treten. Und dann kann man auch Werke in Auftrag geben, was einen ganz neuen Aspekt des Geschäfts eröffnete. Das war für mich genauso aufregend wie die Suche nach den Vintage-Stücken.

„Ich wünschte mir, tagtäglich schöne Dinge durch meine Hände gehen zu lassen und mehr über diese unglaublichen Designs zu erfahren“, sagt Evan Lobel von Lobel Modern über seine Entscheidung, Galerist zu werden.

Kim: Ich finde auch, dass neue Materialien uns ein Gefühl der Entdeckung vermitteln können. Es ist eine andere Art von Glücksspiel, denn man bringt ja etwas Neues auf den Markt. Für uns muss es wirklich in unser Portfolio passen und sich stimmig in unsere Geschäftsphilosophie einfügen. 

Tony: Es gibt eine durchgehende Linie vom Vintage- zum zeitgenössischen Design.

Liz: Ja, aber vor nicht allzu langer Zeit war es für Antiquitätenhändler*innen wirklich tabu, zeitgenössische Werke zu vertreten. Das hat sich nun völlig geändert. Und Kim hat recht: Wenn man so etabliert ist wie wir, hat man einen klaren Standpunkt. Wenn man zeitgenössische Werke vorstellt, gibt es einen Kontext dafür.

Benoist: Wir pflegen ja auch Beziehungen zu diesen Künstler*innen. Es ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Zudem hat man eine Verantwortung für sie. 

Tony: Ich merke schon eine große Übereinstimmung bei euch, dass ihr euch Künstler*innen gegenüber verpflichtet fühlt, ob sie nun leben oder tot sind. Ihr seid nicht daran interessiert, populäre Dinge zu finden, die man schnell verkaufen kann. Es geht um die Geschichte, das Wissen, den Aufbau des Rufs und des Marktes eines Kreativschaffenden. Und das ist eine langfristige Sache.

Porträt von Benoist Drut mit seinem Hund
Benoist Drut von Maison Gerard betreibt eine Galerie, die vor fast 50 Jahren von dem legendären Händler GERARDUS A. WIDDERSHOVEN gegründet wurde, der letztes Jahr verstorben ist. Er lernte Widdershoven kennen, nachdem er als Auktionator in Paris und für einige andere wichtige New Yorker Design-Galeristen gearbeitet hatte. Foto: Alexandra Rowley

Benoist: Und für diese langfristige Sicht muss man geduldig sein.

Juliet: Genau. Wann immer wir neue Künstler*innen aufnehmen, machen wir das mit Bedacht, denn es geht um deren Leben. Als wir das erste zeitgenössische Kunstwerk verkauft habe, war das für mich das befriedigendste Gefühl, das ich je in diesem Geschäft hatte. Diesen Anruf tätigen zu können, um zu sagen, dass wir etwas verkauft haben, war für mich wirklich überwältigend.

Tony: Könnt ihr mir sagen, wie Innenarchitekt*innen zum Erfolg eurer Unternehmen beitragen?

Paul: Designer*innen sind sicherlich die treibende Kraft in meinem Geschäft. Ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass sie daran interessiert sind, neue Dinge zu sehen. Außerdem blicken sie über die Aspekte hinaus, auf die Sammler*innen sich konzentrieren. Das hat es mir ermöglicht, auf breiterer Basis zu kaufen und den Dingen nachzugehen, die mir am Herzen lagen. Sie haben auch meine Einstellung zur Restauration von Objekten beeinflusst. Als ich in die Branche eingestiegen bin, sagten viele Anbieter*innen: „Oh nein, es wird nichts nachbearbeitet.“ Und ich meinte daraufhin: „Ich denke schon, dass die Leute, die auf den Markt kommen, Dinge in besserem Zustand zu schätzen wissen.“ Die Innenarchitekturbranche ist also ein wichtiger Teil meines Geschäfts.

Liz: Ich würde sagen, dass wir alle in unserer Tätigkeit des Sammelns und auch in der Präsentation unseres Angebots stark vom Innendesign geprägt sind. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich in der Wooster Street war und Albert Hadley in mein Geschäft kam und sagte: „Oh, wissen Sie, wer diesen Stoff gemacht hat?“ Nach einer Weile begann ich, eine Art Auswahl für Albert bereitzustellen, wenn er vorbeikam. Ich habe sie schon immer als sehr aufgeschlossen, neugierig und interessant empfunden.  

Evan: Ich habe meine Galerie 1998 eröffnet und von Anfang an zählten Innenarchitekt*innen zu meiner wichtigsten Kundschaft. Wir alle haben uns wirklich hundertprozentig den Designer*innen verschrieben, auf die wir uns spezialisiert haben, und natürlich der Ästhetik, die wir lieben. Ich denke, Innenarchitekt*innen verstehen das wirklich, weil sie genauso sind.     

Juliet: Sie verlassen sich darauf, dass wir uns und unserer Vision stets treu bleiben, auch wenn wir neues Material einbringen. Wenn sie also Kundschaft in die Galerie mitbringen, dann kommen sie, um ihren Kund*innen zu zeigen: Das hier ist Hostler Burrows. Sie sind auf dieses und jenes spezialisiert. Die größten Sammler*innen haben spezialisierte Partner*innen in den Bereichen Kunstberatung, Innendesign und Architektur, mit denen sie zusammenarbeiten. Und wenn sie etwas aus deiner Galerie kaufen – sei es eine Keramik oder einen Stuhl, dann geht das Objekt in eine sehr wichtige Sammlung über. Sie möchten mehr über die Herkunft des Objekts erfahren und vertrauen darauf, dass wir, die Händler*innen, anständig recherchiert haben.

Tony: Hat jemand einen Rat für Sammler*innen?

Benoist: Ich denke, dass man im Endeffekt seinem Instinkt folgen sollte. Man sollte nichts einfach nur kaufen, weil der Wert des Objekts steigen wird. Man sollte Dinge kaufen, die einem gefallen, und nicht das, was ein*e Nachbar*in hat, weil man einfach das gleiche Objekt haben muss. Schließlich muss man tagtäglich damit leben. Es sollte also etwas sein, das die eigene wahre Liebe und Leidenschaft widerspiegelt. 

Kim: Man sollte sich das Beste kaufen, was man sich leisten kann. 

Benoist: Genau. Einige der Objekte, die ich immer noch am meisten mag, sind diejenigen, die ich mir nicht leisten konnte und die ich im Laufe der Zeit abbezahlen musste. 

Tony: Ich möchte jetzt nochmal ein wenig in eine andere Richtung gehen. Ihr habt alle miterlebt, wie das Internet den Kunst- und Designmarkt verändert hat. Welche Auswirkungen hat das auf euch? 

Benoist: Es gibt nichts, was das Erlebnis ersetzt, ein Objekt in natura zu sehen, aber das Internet ist ein fabelhaftes Fenster zur Welt. Mit 1stDibs konnten wir Interessent*innen an weit entfernten Orten erreichen, die wir mit unserer eigenen Website allein nicht erreicht hätten.  

Evan: Ich erinnere mich an die Zeit vor dem Internet, als Designer*innen und ihre Kund*innen vorbeikamen und einige Zeit im Ausstellungsraum verbrachten – es war eher ein Erlebnis. Aber ich bin über 1stDibs aus allen Ecken der Welt kontaktiert worden – von Sammler*innen, Designer*innen und Leuten, die einfach nur mehr über Objekte erfahren wollten.

Vintage-Ansichten von Donzella, Hostler and Burrows und Drut aus den letzten zwei Jahrzehnten.

Benoist: Als wir [den Gründer von 1stDibs] Michael Bruno kurz nach dem Start der Website zum ersten Mal trafen, sagte Gerard zu mir: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstanden habe, was er mit diesem ganzen Internet-Scheiß meinte. Aber er scheint zu wissen, wovon er spricht. Ich denke, wir sollten das Risiko eingehen.“ Wir haben es gewagt, und das hat uns an den Punkt gebracht, an dem wir uns heute befinden.

Paul: Es hat auf jeden Fall viel mehr Leute in meine Galerie gebracht – sei es persönlich oder nur online. Auch ich kaufe im Internet ein. In dieser Hinsicht war es also sehr gut.           

Benoist: Bahnbrechend. 

Juliet: Mittlerweile ist das Internet eine Art Erweiterung unseres Gehirns. Es bietet uns unglaublich viele Informationen – von der Preisgestaltung bis zur Steigerung der Bekanntheit. Es ist von unschätzbarem Wert. Man bekommt natürlich nicht alles im Internet. Das Persönliche, die Berührung oder das Physische sind nicht möglich.

Tony: Dinge anzufassen und physisch zu erleben – das sind die Aspekte, nach denen sich die Menschen aufgrund der Pandemie besonders sehnen. Und es scheint, dass sich das in ein größeres Interesse an der Verschönerung des eigenen Zuhauses gezeigt hat. Und das nicht nur, weil die Menschen nun dort mehr Zeit verbringen, sondern weil sie ihrer Umgebung wirklich etwas Erbauliches und Lebensbereicherndes abgewinnen wollen.

Juliet: Ja, es wird auch vermehrt nach handgefertigten Dingen gesucht, und es gibt mehr Interesse an natürlichen Materialien.  

Evan: Da stimme ich voll und ganz zu.

Paul: Ich auch.

Kim: Ich glaube, die Leute kaufen eher Objekte, aus denen sie Kraft schöpfen, als reine Dekoration. So können sie nach Hause gehen und eine beruhigende Umgebung genießen. Das können wir definitiv beobachten. 

Evan: Ich denke, dass die Schönheit des Lebens darin besteht, das Hier und Jetzt bewusst zu erleben und die physische Welt, die uns umgibt, zu genießen. 

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