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Wie Cranbrook zur bevorzugten Kunstschule für die Mid-Century-Meister*innen und die Designstars von heute wurde

Die Cranbrook Academy of Art in Bloomfield Hills, Michigan, steht kurz vor ihrem 90-jährigen Bestehen. Sie hat sich in den Bereichen Kunst, Design und Architektur einen Namen gemacht. In der breiten Öffentlichkeit ist die Akademie weniger bekannt, obwohl sie zu den einflussreichsten ästhetischen Quellen der amerikanischen Geschichte gehört.  

Der Design-Kurator und -Historiker Glenn Adamson sagt: „Es ist die Kunstschule, die dem Bauhaus am nächsten kommt.“

Aktuell ist eine Hit-Serie verfügbar –„With Eyes Opened: Cranbrook Academy of Art Since 1932“, die vom 18. Juni bis 19. September läuft. Darin wird das gesamte Cranbrook Museum of Art vorgestellt und die Geschichte der Schule anhand von über 270 Objekten erzählt. Es gibt ein Begleitbuch mit vielen Informationen über die Design-Stars, die dort gelehrt oder studiert haben. 

Die Liste der berühmten Cranbrook-Gestalter*innen reicht von Mid-Century-Meister*innen wie Charles und Ray Eames, Harry Bertoia und Florence Knoll Bassett bis hin zu einigen namhaften Designer*innen und Künstler*innen von heute, darunter Nick Cave, McArthur Binion und Chris Schanck

Der Campus selbst ist ein Meisterwerk der Moderne, das zum Teil von dem großen finnischen Architekten Eliel Saarinen entworfen wurde. Er ist der Vater von Eero Saarinen, der ebenfalls an der Cranbrook Academy lehrte. Er plante die Kunstschule und entwarf die ersten Gebäude. „Es kommt einem Saarinen-Gesamtkunstwerk so nahe, wie man ihm nur kommen kann“, sagt Adamson in Anlehnung an seine Bemerkung über das Bauhaus.

Das Kronjuwel ist das Saarinen House im Art-déco-Stil der späten 1920er-Jahre, das von Eliel entworfen wurde und mit Textilien seiner Frau Loja, einer Dozentin an der Cranbrook Academy, sowie mit Möbeln von Eero ausgestattet ist. (Cranbrook behielt auch in späteren Jahren seine herausragende Rolle in der Architektur bei. Unter anderem lehrte DANIEL LIBESKIND dort von 1978 bis 1985.)

Cranbrook ist eine Bildungseinrichtung, zu der das Museum, zwei Forschungszentren und eine private weiterführende Schule für die Vorbereitung auf das College gehören. Sie wurde von George Booth und seiner Frau, der Scripps-Verlagserbin Ellen Booth, ins Leben gerufen. Das Ehepaar unternahm 1904 den ersten Schritt zur Gründung der Einrichtung, indem es knapp 71 Hektar Land nur eine halbe Stunde von Detroit entfernt kaufte – ein Grundstück, das später auf mehr als 120 Hektar anwuchs. 

Triton Pools, ein Reflexionsbecken auf dem Cranbrook-Campus mit nautischen Bronzeskulpturen von Carl Milles
In den Triton Pools auf dem Cranbrook-Campus sind Skulpturen von Carl Milles zu sehen, der von 1931 bis 1953 als Artist-in-Residence in der Abteilung für Bildhauerei an der Akademie wirkte. Foto von James Haefner, mit freundlicher Genehmigung des Michigan State Preservation Office

In den 1920er-Jahren holten die Booths dann Eliel Saarinen ins Boot, der ihnen bei der Planung der Künstlergemeinschaft half und ihr erster Präsident wurde. Das Ehepaar nahm sich viel Zeit, damit einfach alle Einzelheiten stimmten. Es entwickelte das Konzept von Cranbrook über viele Jahrzehnte weiter. 

„Sie waren Mitte bis Ende der zwanziger Jahre zur American Academy in Rom gereist“, sagt Andrew Blauvelt, der Direktor des Museums und Organisator der Ausstellung. „Das war ihr Vorbild: eine Einrichtung für weiterführende Studien, die man nach einem beendeten Studium besuchen kann.“

Obwohl es in den Vereinigten Staaten andere hervorragende ähnliche Hochschulen gibt, wie z. B. die Rhode Island School of Design, zeichnet sich Cranbrook seit jeher durch die Unabhängigkeit aus, die den Studierenden geboten wird. 

Das Innere der Bibliothek der Cranbrook Academy of Art mit mehrstufigen Deckenleuchten und Bücherregalen
Bibliothek der Cranbrook Academy of Art Foto von James Haefner, mit freundlicher Genehmigung des Michigan State Preservation Office

„Wir bezeichnen Cranbrook als eine Kunstschule für Erwachsene“, sagt Blauvelt, der selbst Absolvent der Cranbrook Academy ist und vor seiner jetzigen Tätigkeit als Kurator am Walker Art Center in Minneapolis tätig war. „Wir versuchen, die echte Welt zu simulieren.“ Die Zahl der Studierenden ist auf 140 begrenzt, was ein intensives und persönliches Erlebnis ermöglicht. 

Eine weitere charakteristische Eigenschaft von Cranbrook ist das, was Adamson als „skandinavisch-nordische Ästhetik, organisch und wohnlich“ bezeichnet. Sie steht im Gegensatz zum sehr geordneten, auf Funktionalität ausgelegten Bauhaus und geht zumindest teilweise auf den Einfluss Saarinens zurück.  

Cranbrooks Sammlungsflügel im Cranbrook Art Museum
Cranbrooks Sammlungsflügel. Foto: Justin Maconochie

In den 1980er-Jahren wurde das Erbe der Kunstakademie zum letzten Mal eingehend untersucht, als die Ausstellung „Design in America: The Cranbrook Vision, 1925–1950“ im Detroit Institute of Arts und im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen war. Aber diese Ausstellung „endete mit dem Jahr 1950“, sagt Blauvelt, „und sie war wirklich nur auf Design festgelegt. Nach dieser Zeit ist so viel aufgeblüht.“ 

Blauvelt wollte mit „With Eyes Opened“ auch die wichtige Rolle von Frauen und People of Color in der Geschichte Cranbrooks hervorheben, die zuvor nicht beleuchtet worden war. 

„With Eyes Opened“ besteht aus neun Abschnitten, in denen eine Reihe von kreativen Disziplinen vorgestellt werden. Der renommierte Chicagoer Maler McArthur Binion, der bei Lehmann Maupin ausstellt, ist im Abschnitt ‚Salon Abstraction‘ mit einem seiner im Studium entstandenen Gemälde, Circuit Landscape No. 1 aus dem Jahr 1973, sowie mit einem Werk aus seiner DNA-Serie aus dem Jahr 2018 vertreten. 

Binion, der von 1971 bis 1973 an der Cranbrook Academy studierte und für seine gerasterten Abstraktionen bekannt ist, war zu der damaligen Zeit einer der wenigen Schwarzen Studenten im „Master of Fine Arts“-Programm: „Als ich dort war, gab es gerade einmal zwei“, sagt er.

Er war Student unter George Earl Ortman, einem bekannten Maler des abstrakten Expressionismus der dritten Generation, und genoss den Austausch mit den vielen Gastkünstler*innen, die den Campus besuchten. „So lernte ich Dan Flavin kennen, der dann zu meiner ersten Ausstellung in Detroit kam“, sagt Binion. (Ortman ist in der Ausstellung durch Homage to Eliel and Loja Saarinen — Five, I? von 1977 vertreten.)

Es waren jedoch die Zeit und der Raum voller Unabhängigkeit, die ihn wirklich wachsen ließen. „Man wird behandelt wie ein Künstler“, sagt er. „Jede Person hat ihr eigenes Studio. Es gibt keine Vorlesungen, keine Noten. Niemand schreibt einem vor, was man zu tun hat.“

Als das Cranbrook Museum Circuit Landscape erwarb, hatte dies für Binion eine besondere Bedeutung. „Ich glaubte an meine Arbeit und fühlte mich bestätigt“, sagt er.

„With Eyes Opened“ geizt nicht mit den modernistischen Designleistungen, die Cranbrooks Namen ausmachen. Die „Wall of Chairs“ (Wand der Stühle) im Abschnitt Sitzmöbel feiert die Talente der Lehrkräfte an der Akademie. Harry Bertoias Diamantsessel von 1952 ist ein bekanntes Werk, von dem man nie genug bekommen kann, ebenso wie Eero Saarinens Tulpen-Stuhl von 1957.

Natürlich konnte Bertoia, der 1937 an der Akademie sein Studium aufnahm und 1943 als Dozent für Grafik Cranbrook wieder verließ, mehr als nur Sitzmöbel gestalten. Die Ausstellung wird seiner Vielseitigkeit gerecht, indem sie auch seine abstrakteren bildhauerischen Arbeiten sowie eine Teekanne aus versilbertem Kupfer zeigt.

Jay Sae Jung Oh, Stuhl „Savage“, 2011
Der Stuhl „Savage“ von Jay Sae Jung Oh (2011) besteht aus gefundenen Kunststoffobjekten und Jute. Foto: R.H. Hensleigh und Tim Thayer

In der „Wall of Chairs“ tauchen auch spannende neue Namen auf wie Jay Sae Jung Oh. Ohs Stuhl „Savage“ mit seiner wilden, bauchigen Form aus mit Jute bezogenen Fundstücken ist weit entfernt vom zurückhaltenden Design des Prototyps für Charles Eames und Eero Saarinens Beistellstuhl aus der Kollektion „Organic Design“ von 1940, der daneben ausgestellt ist.

Oh machte 2011 ihren MFA-Abschluss in 3D-Design. Das gilt auch für den in Detroit lebenden Künstler Chris Schanck, der bei Friedman Benda ausstellt und für seine Arbeiten bekannt geworden ist, bei denen elegante Formen mit tropfenüberzogener, unordentlicher Oberfläche überlagert werden. Hier ist er mit seinem Alufolienstuhl aus 2019 vertreten, der aus Alufolie und Harz besteht.

Christopher Schanck, Unbenannt (Alufolienstuhl), 2019
Chris Schanck hat seinen Alufolienstuhl, 2019, aus Alufolie und Harz hergestellt. Foto mit freundlicher Genehmigung des Cranbrook Art Museum

„Ich hatte eine steile Lernkurve, als ich an der Cranbrook Academy anfing“, sagt Schanck. „Ich begann in der Abteilung für 3D-Design zu studieren, ohne berufliche oder Ausbildungserfahrung in diesem Bereich zu haben. Eine Vortragsreihe unseres Artist-in-Residence, Scott Klimker, über die Geschichte des radikalen Designs öffnete mir die Türen. Es war wie, wenn man ein Paralleluniversum oder eine neue Droge entdeckt.“

Er stellt fest, dass man an der Cranbrook Academy trotz der Unabhängigkeit, die den Studierenden gewährt wird, „nicht allein ist“, und fügt hinzu, dass er von der starken Kombination aus „brutaler Kritik, intellektueller Großzügigkeit von Gastkünstler*innen, Gesprächen bei unzähligen Zigaretten in der Campus-Bar, großartigen Freundschaften und stundenlangen Experimenten“ profitiert hat.

Blauvelt, der 2022 eine Ausstellung von Schancks Arbeiten im Museum of Arts and Design in New York kuratiert, sieht die Experimente des Künstlers als Teil von Cranbrooks „Engagement für das Kunsthandwerk, das über die offensichtliche Funktionalität hinausgeht – Studierende und Dozenten gehen ständig an die Grenzen.“

Adamson, der am Begleitbuch zur Ausstellung mitgewirkt hat, weist darauf hin, dass Keramik- und Textilfaserarbeiten zu den Bereichen gehören, in denen Cranbrooks Lehrkräfte und Studierende im Laufe der Jahrzehnte Pionierarbeit geleistet haben.

Er verweist auf die hübsche Steingutvase der gebürtigen Finnin Maija Grotell aus dem Jahr 1942 und ihre Schale mit Fuß aus demselben Jahr. „Sie war die wichtigste modernistische Keramikerin hierzulande“, sagt Adamson und verweist auf ihren Einfluss auf eine ganze Generation von Töpfernden während ihrer 30-jährigen Tätigkeit an der Akademie.

„Ihre Lehrtätigkeit war insofern von Bedeutung, als dass sie ihre Student*innen mit technischem Know-how vertraut machte – mit anspruchsvollen Dreh- und Glasurtechniken“, erklärt er. „Aber auch, weil sie meisterhaft abstrakt wirkte und es verstand, strenge Muster und Formen zu kombinieren.“

Zu Grotells Studierenden gehörte Toshiko Takaezu, die zu einer bedeutenden Keramikkünstlerin des Abstrakten Expressionismus wurde und deren Steingutvase Early Spring (um 2000) in der Ausstellung zu sehen ist. 

Ein paralleler Einfluss im Textilfaserbereich war Gerhardt Knodel, ein langjähriger Ausbilder und Schöpfer der dreiteiligen Textilfaserarbeit Guardians of the New Life, 1987. Knodel unterrichtete unter anderem den Multimediakünstler Nick Cave, der Textilfasern in seinen bekanntesten Kreationen, den geräuschmachenden Kostümen, sogenannten Soundsuits, verarbeitet.

Diese reichhaltigen Querverbindungen zwischen den Medien und Generationen haben Blauvelt dazu veranlasst, mehr als fünf Jahre lang diese groß angelegte Ausstellung zusammenzustellen. „With Eyes Opened“ hat sich zwar aufgrund der Pandemie verzögert, ist jedoch zeitlich gut auf die Maker-Ära abgestimmt. „Es schien der perfekte Moment dafür zu sein“, sagt er, „und ich bin einfach verrückt genug, es zu versuchen.“ 

Entdecken Sie die Arbeiten von Cranbrook-Künstler*innen und -Designer*innen

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