Designer-Spotlight

Ein Rundgang durch ein stilvolles Londoner Penthouse und das Haus der Designerin in Notting Hill

Brigitta Spinocchia Freund sitzt auf einem Sofa von India Mahdavi in dem Vorzeige-Penthouse, das sie für den Umbau des Londoner Centre Point-Bürohochhauses in Wohneinheiten entworfen hat. Oben: Im Empfangsraum ihres Stadthauses in Notting Hill schirmt ein Sonnenschutz von Jean Prouvé den Eingang ab. Die geschwungene Wandleuchte aus den 1950er Jahren von Jean Royère stammt von Tanguy Rolin, die weißen Sofas und Sessel von Galerie Glustin. Die flauschige braune Couch kommt von Campana Brothers (Foto: Julian Abrams). Alle Fotos von Kate Martin, sofern nicht anders angegeben.

Wird die Eingangstür des Hauses von Brigitta Spinocchia Freund im pittoresken Londoner Stadtteil Notting Hill geöffnet, fällt der Blick zunächst auf einen gewaltigen, silbernen Sonnenschutz. Für einen kurzen Moment versperrt er den Blick auf den riesigen Empfangsraum mit hohen Decken, der den gesamten Eingangsbereich einnimmt. 

Es ist eine kontraintuitive Designentscheidung, die das subtile und verführerische Ethos und die Ästhetik von Spinocchia Freund auf den Punkt bringt: Bei dem Sonnenschutz handelt es sich um einen Brise-soleil von Jean Prouvé aus dem Jahr 1964, entworfen für modulare Schulgebäude, die er in Kamerun gestaltete. Indem er zunächst die Sicht auf den Raum versperrt, schafft der Sonnenschutz auf elegante Weise Privatsphäre und intensiviert die Überraschung, die man angesichts des üppigen und unvorhersehbar gestalteten Raums hinter seinen Lamellen erlebt.

In diesem Raum platzierte Spinocchia Freund einzigartige Möbelstücke in sparsamer Anordnung, um damit eine maximale visuelle Wirkung zu erzielen und gleichzeitig bequeme Plätze zum Sitzen, Reden, Lesen oder Nachdenken zu bieten. 

„Man könnte sagen, wir haben einen Haute-Couture-Ansatz“, sagt Spinocchia Freund, die ihr Designbüro 2009 gründete, nachdem sie acht Jahre lang für den Londoner Luxusimmobilienentwickler Candy & Candy gearbeitet hatte. „Meine Stärke ist unter anderem die Zusammenstellung einer wirklich schönen Kollektion, die bequem und langlebig ist.“

Das Arrangement von Räumen, die Welt draußen mit nach drinnen zu bringen, die optimale Nutzung jedes Zentimeters, die Zusammenarbeit mit Künstler*innen – all dies sind charakteristische Elemente des Designbüros von Spinocchia Freund. Aktuelle Projekte der Innenarchitektin sind unter anderem ein Duplex-Penthouse im bekannten Londoner Centre Point-Hochhaus und ein Haus für einen bedeutenden Kunstsammler, ebenfalls im Zentrum Londons. Zudem gestaltet sie ein Wohngebäude in Monaco, ein Luxushotel auf der griechischen Insel Mykonos und Chalets im schicken französischen Alpen-Skiort Courchevel.

Spinocchia Freund dekorierte den Empfangsraum mit einem vergoldeten Kronleuchter von Oriel Harwood, einem Spiegel von Hubert Le Gall und einem Gemälde von William Turnbull. Sowohl der Couchtisch als auch der Teppich sind antik. Unter dem Turnbull steht ein Fornasetti-Schrank. Die Tänzer-Lampe auf dem Beistelltisch stammt von Atelier van Lieshout.

Spinocchia Freunds Liebe zu Kunst und schönem Design wird besonders deutlich, wenn sie über die Entscheidungen spricht, die sie für ihr eigenes Haus getroffen hat. Im Empfangsraum kontrastiert ein Hubert Le Gall-Spiegel aus anmutigen, ineinandergreifenden Formen mit einer „zerknautschten“ Stahlskulptur von Fredrikson Stallard, während ein abstraktes Werk des britischen Modernisten William Turnbull den Trompe-l’œil-Schrank von Fornasetti darunter ergänzt. An anderer Stelle im Raum platzierte die Designerin einen Micky Maus-Kopf aus Gold und blauer Keramik von Li Lihong auf der aus Seilen geflochtenen Kommode „Miraki“ von Christian Astuguevieille. Zudem stellte sie eine elegant geschwungene Jean Royère-Wandleuchte aus den1950er Jahren von Tanguy Rolin den extravagant verdrehten, asymmetrischen Formen eines vergoldeten Kronleuchters von Oriel Harwood gegenüber.  

Die Anordnung hier ist typisch für eine Inneneinrichtung von Spinocchia Freund, in der jedes Objekt sorgfältig ausgewählt und perfekt platziert ist. Oft findet sie ihre Objekte auf 1stDibs. Keines der Objekte ist etwas für den schmalen Geldbeutel, aber Spinocchia Freund legt großen Wert darauf, Objekte zu erwerben, die ihren Wert behalten und an die nächste Generation weitergegeben werden können.

„Für mich ist Nachhaltigkeit unglaublich wichtig“, sagt sie. „Man muss nicht alles neu herstellen. Das Schöne daran ist, dass man eine Kollektion schafft, die mit der Kundschaft weiterwachsen kann.“

Spinocchia Freund ist die Tochter einer griechischen Mutter und eines italienischen Vaters, die sich in Istanbul kennenlernten, wo die Designerin ihre ersten Lebensjahre verbrachte. Als sie sechs Jahre alt war, zog die Familie in die Küstenstadt Bournemouth nach Großbritannien, und ihr Vater eröffnete ein Geschäft, in dem er türkische Artefakte verkaufte: „Teeservices, Teppiche, Räucherstäbchen und wunderschöne Gegenstände aus Messing“. Außerdem gründete er ein Import-Export-Unternehmen für italienische Möbel. 

Im Essbereich umgeben maßgefertigte Stühle einen Liquid Glacial-Tisch von Zaha Hadid. Die in den Vitrinen angeordneten Teller sind von Jeff Koons; das aufbereitete Versailles-Parkett stammt aus dem 18. Jahrhundert.

„Ich war entweder mit meinem Vater im Geschäft oder mit meiner Mutter, die Antiquitätensammlerin war, auf Flohmärkten und Basaren“, erinnert sich Spinocchia Freund. „Sie liebte auch handgefertigte Spitzenservietten und -tischdecken sowie antikes Silberbesteck. Sie brachte mir bei, wie man einen Tisch deckt, wie man sich benimmt – und wie man auf diese Details achtet.“

Obwohl sie schon früh mit Handwerk und Design in Berührung kam, sagt Spinocchia Freund, dass sie nicht an einer Karriere in diesen Bereichen interessiert war, wohl aber daran, ihr eigenes Geschäft zu führen. Aufgrund ihrer Legasthenie hatte sie Schwierigkeiten in der Schule, war aber hervorragend in Kunst. 

„Das brachte mich an die Westminster University“, sagt sie, „wo ich an einem Kurs teilnahm, der Kunst mit Marketing und Wirtschaft kombinierte, was sich als sehr nützlich erwies.“ Während dieser Zeit begann sie, für den Chefkoch Marco Pierre White in dessen Veranstaltungsabteilung zu arbeiten. Dort lernte sie Nick und Christian Candy kennen – junge Brüder, die gerade ihr Geschäft gegründet hatten, mit dem sie zu den erfolgreichsten High-End-Immobilienentwicklern der Welt werden würden.

Spinocchia Freund ließ den Teppich, die Sofas und die Tische für ihre unterirdische Bibliothek mit doppelter Raumhöhe als Maßanfertigung herstellen und fügte dann eine ausgewählte Mischung aus Dekoobjekten von Vintage-Märkten hinzu.

„Damals wollte ich Stilberaterin werden und habe Nick und Chris geholfen, eine der ersten Wohnungen einzurichten, die sie gekauft haben“, sagt Spinocchia Freund. „Von da an wuchs es einfach. Sie waren wirklich die ersten Immobilienentwickler, denen es gelang, Luxus als Gesamtpaket auf einem wirklich erstklassigen Niveau zusammenzustellen. Am Anfang waren wir drei Personen. Acht Jahre später waren wir schon hundertfünfzig.“

Die Designerin erinnert sich, dass sie auf Erfolg aus war. „Wenn man nach vielen Misserfolgen in verschiedenen Bereichen endlich etwas findet, in dem man gut ist, dann freut man sich aufrichtig darüber.“

Spinocchia Freund lernte schnell. „Wir haben eine Vielzahl von Projekten durchgeführt“, sagt sie. „Das hat mir gut gefallen. Ich war bis in die frühen Morgenstunden dort, habe in Büchern nach Möbelstücken gesucht und Fotokopien angefertigt! Es gab noch kein Pinterest – es war eine andere Welt. Aber das war ein großes Glück, denn wenn man sich die Zeichnungen und Details, die Archivteile dieser Bücher ansieht, erhält man ein unvergleichliches Maß an Detailkenntnis und Verständnis für das Tischlerhandwerk.“

In der Küche, die ebenfalls mit Versailles-Tafelparkett ausgestattet ist, positionierte Spinocchia Freund eine Reihe von Hockern an der Kücheninsel. Diese hatte sie bei Richard Woods in Auftrag gegeben. Die Leuchte über der Insel war ihr eigener Entwurf.

2009 war es für Spinocchia Freund an der Zeit, etwas Neues in Angriff zu nehmen. „Ich wollte keinen Stil mehr einrichten, der jeden anspricht“, sagt sie und verweist auf die relative Anonymität der Immobilienentwicklung. „Ich wollte mit ganz bestimmten Kund*innen zusammenarbeiten, um etwas zu schaffen, das ihr Wesen und ihre Persönlichkeit widerspiegelt.“

Sie begann mit einigen kleinen Aufträgen – und einem größeren, dem Aufbau einer Designabteilung bei Harrods für dessen Inhaber Mohamed Al-Fayed. Ihre Erfolge sprachen sich herum und so folgte ein Projekt auf das nächste. Kurz nachdem sie ihr eigenes Unternehmen gegründet hatte, lernte sie ihren jetzigen Ehemann, den Investor Michael Freund, kennen. 2013 kauften sie das Anwesen in Notting Hill und begannen mit dem Umbau. „Es war eine komplette Kernsanierung, was wir bei unseren Projekten meistens machen. Wir haben zwei Stockwerke in den Untergrund gegraben, was jetzt wahrscheinlich nicht mehr erlaubt ist“, sagt sie. 

Spinocchia Freund ließ eine Skulptur der kubanischen Künstler Los Carpinteros über dem rundum von Fenstern umgebenen Swimmingpool im Erdgeschoss des Stadthauses anbringen.

Um die unterirdischen Stockwerke so hell wie möglich zu halten, schuf die Designerin ein dreistöckiges Atrium mit einem spektakulären vertikalen Garten, der an einer Wand emporragt. Ein kreisförmiger, rotierender Glasaufzug befindet sich in der Mitte einer freitragenden Wendeltreppe, die sich von der untersten Ebene bis zum fünften Stockwerk windet. Im Erdgeschoss hängt eine Installation bestehend aus einer explodierenden Wand und verstreuten Objekten der kubanischen Künstler Los Carpinteros über einem von Fenstern umgebenen Swimmingpool. Ein Massageraum mit Spa-Charakter verfügt über einen kleinen Haarwaschbereich mit Salon-Charakter, „weil ich gerne jeden Winkel des Raumes nutze“, sagt Spinocchia Freund.

Eine freitragende Wendeltreppe, die sich vom untersten bis zum fünften Stockwerk windet, wirkt so, als würde sie in der Mitte des Hauses schweben. Sie verbindet die verschiedenen Ebenen des Stadthauses, einschließlich der beiden unterirdischen Stockwerke, die bei der Neugestaltung des Hauses durch Spinocchia Freund ausgehoben wurden. In der Mitte der Treppe befindet sich ein kreisförmiger, rotierender Glasaufzug. Foto: Julian Abrams

„Ich übernehme immer die Kontrolle über die Innenarchitektur und arbeite für die Umsetzung mit einer guten Baufirma zusammen. Die absolute Liebe zum Detail ist vielleicht ein wenig neurotisch, weil ich alles perfekt machen will“, sagt sie über die Treppe in ihrem Zuhause. „Sogar die Balustrade hat Elemente aus handgenähtem Leder. Ich liebe die handwerkliche Arbeit, die dahintersteckt.“ Die Integration von Kunstwerken wie dem Objekt von Los Carpinteros, so fährt sie fort, sei ein integraler Bestandteil der Projektgestaltung und kein nachträglicher Zusatz.

Kunstwerke und handgefertigte Details stehen im Mittelpunkt des Duplex-Penthouse-Apartments, das sie für die Luxussanierung des 1966 von Richard Seifert entworfenen Londoner Bürogebäudes Centre Point gestaltet hat. In Anlehnung an die literarische Geschichte des nahe gelegenen Stadtteils Bloomsbury beauftragte Spinocchia Freund die Künstlerin Eva Menz mit einer Installation, die die Briefe von Virginia Woolf und Vita Sackville-West in hauchdünner Keramik nachbildet. Diese wurden in Japan hergestellt und hängen nun an einem Oberlicht neben der originalen geschwungenen Treppe des Gebäudes mit Metallumrandung. („Als hätte ein Windstoß sie ins Oberlicht geweht“, sagt Spinocchia Freund.) 

Ein rundes Wandgemälde von Richard Long, das vor Ort mit Schlamm aus dem Fluss Avon angefertigt wurde, ziert eine über zwei Etagen reichende Wand im lichtdurchfluteten Barbereich. Dieser ist zudem mit Hockern ausgestattet, die mit handgewebten Stoffen aus dem historischen französischen Textilhaus Le Manach bezogen sind.

„Es ging darum, etwas zu schaffen, das nicht von der Aussicht ablenkt, die spektakulär ist und an sich wie eine Galerie von Gemälden wirkt“, erklärt Spinocchia Freund. „Wir haben die Räume klar und architektonisch gestaltet und hauptsächlich Vintage-Objekte verwendet, wie die Glas-und-Leder-Stühle aus den sechziger Jahren von Fabio Lenci Hyaline sowie italienische Wandleuchten und Esszimmerstühle von Prouvé, die von Tanguy Rolin stammen“, fährt sie fort.

Eine gepolsterte Bank mit Bargello-Muster sowie Stühle mit Fransen, die Spinocchia Freund selbst entworfen hat, zieren die unterirdische Bar des Hauses. Das Kunstwerk Hotel, Moscow, Room stammt von Erwin Olaf.

Wie immer bei ihren Projekten war Spinocchia Freund großzügig in der Verwendung von Grünpflanzen. „Ich liebe es, Innenräume über Pflanzen mit einem Extra an Sauerstoff zu versorgen.“

Trotz des Perfektionismus und der ehrgeizigen Projekte von Spinocchia Freund – ermöglicht durch einen Kundenstamm, der über großzügige Budgets verfügt – legt sie bei all ihren Projekten großen Wert darauf, komfortable, lebenswerte Räume zu schaffen.

In ihrem eigenen Haus lädt die riesige Küche mit einer langen Arbeitsfläche zum Verweilen ein. Auf der einen Seite der Küche steht ein gläserner Tisch von Zaha Hadid und auf der anderen Seite befindet sich ein gemütlicher Wohnbereich (mit einem skurrilen Stofftier-Sessel von Campana Brothers). Ihre drei Kinder machen in der glamourösen Bibliothek ihre Hausaufgaben und spielen Schallplatten auf dem altmodischen Grammofon ab. Das lange, schmale Spielzimmer hinter dem Swimmingpool bietet hingegen einen komfortablen und farbenfrohen Rückzugsort aus der Welt der Erwachsenen.

„Für Menschen Freude an Räumen zu schaffen, ist wirklich die Essenz eines jeden Auftrags“, sagt sie. „Ich frage mich immer, wie man an einem Ort sein bestes Leben leben kann, egal, wie viel Platz vorhanden ist.“


Brigitta Spinocchia Freunds Auswahl

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