7. Februar 2021Als Juliette Arent und Sarah-Jane Pyke 2007 ihr Studio Arent&Pyke in Sydney gründeten, war die australische Designwelt gewissermaßen polarisiert. Auf einem Kontinent, wo der Modernismus Mainstream ist, waren viele Innenräume weiße Kästen ohne offensichtliche Dekoration. Dann gab es noch das andere Extrem: „Überdekoration“, reich an Brokat, Quasten und Bändern.
Arent und Pyke konnten in der Opulenz der alten Welt im entspannten Australien keinen Sinn erkennen. Sie gehörten eher zum Lager „weißer Kasten“. Doch mit der Zeit wandten sie sich der Gestaltung von Räumen mit echtem Charakter zu. Für sie bedeutete das, mit kräftigen Farben und Texturen zu arbeiten und neue Objekte mit alten sowie mit dem zu kombinieren, was sich bereits im Besitz ihrer Kundschaft befand.
Viele dieser Kund*innen waren junge Paare, die sich nach einem Ort sehnten, der für Kinder sicher war und ihnen gleichzeitig einen Spaßfaktor bot. Als Mutter eines neunjährigen Sohnes versteht Pyke diese Wünsche, wie sie sagt. Arent hat Zwillinge im Alter von sieben Jahren. Sie glaubt, die Firma wolle ihrer Kundschaft helfen, herauszufinden, „was es heißt, sich zu Hause zu fühlen, sich wohlzufühlen, sich geschützt zu fühlen.“
Die Tatsache, dass die Partnerinnen – wie auch alle 10 Mitarbeiterinnen – Frauen sind, könnte ein Stück weit dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. „Für uns geht es um emotionales Design, was ich als eine stark weibliche Idee bezeichnen würde“, sagt Pyke. „Wir berücksichtigen alle Nuancen der Familie unserer Kundschaft und gehen auf einfühlsame Weise darauf ein.“
Allerdings wollen sie mehr, als nur auf Wünsche eingehen. Der Designkritiker David Clark aus Sydney schrieb, dass „Arent und Pyke ihre Kund*innen oft sanft anstupsen“, um Risiken einzugehen, und fügte hinzu: „Eine ihrer besten Fähigkeiten ist es, gerade genug anzustupsen.“
Clark bezeichnete ihren Stil als „dekorativen Modernismus“. Für Pyke ist es ein Look, der „eine Jugendlichkeit und Verspieltheit ausstrahlt, die sehr australisch ist“. Arent nennt ihre Designs „exquisit optimistisch“.
Ihre besten Räume – wie der in Sydneys Vorort Annandale, der das Cover des neuesten 1stDibs- Katalogs ziert – sind eine Mischung aus Objekten australischer Designer*innen und Möbeln und Leuchten aus dem Ausland. Aber alles, was aus Europa oder den Vereinigten Staaten importiert wird, muss so besonders sein, dass die Transportkosten gerechtfertigt sind. Unter den Produkten, die diesen Zuschlag erhalten haben, befinden sich Lampen der New Yorker Firmen Allied Maker und Apparatus Studio. „Die Amerikaner sind brillant im Bereich Beleuchtung“, stellt Pyke fest.
Der teure Versand lohnt sich auch bei Vintage-Artikeln, für die Pyke und Arent häufig auf 1stDibs zurückgreifen. Australien hatte 1950 nur 8 Millionen Einwohner*innen – im Vergleich zu 25 Millionen heute. Es gibt also nicht viele Möbel der Mitte des Jahrhunderts zu kaufen, sagt Pyke und erklärt damit, warum sie online einkauft. Sie war in letzter Zeit besonders oft online, da ihre Kund*innen nach Objekten fragten, die „eine Geschichte und Bedeutung haben und die sie sonst nirgendwo gesehen haben“.
Das galt auch für die Eigentümer eines Bungalows mit rotem Ziegeldach in Queens Park, einem der grünsten Stadtteile Sydneys. Das Paar engagierte den Architekten Ben Vitale, um das Haus zu vergrößern, und Arent und Pyke, die schon einmal mit den Eigentümern zusammengearbeitet hatten, um „den Charme des Hauses zu verstärken“, so Pyke.
Mehrere Räume wurden fast unverändert belassen, darunter das vordere Wohnzimmer mit seiner getäfelten Decke, die jetzt senffarben gestrichen ist. Die Designerinnen hatten ein Paar „Utrecht“-Sessel von Cassina für ihr voriges Haus gekauft; für diese Einrichtung wurden sie in einem cremefarbenen Bouclé neu bezogen.
Vitale entwarf ein neues Wohnzimmer im hinteren Teil des Hauses als schmales Rechteck, dessen Einrichtung sich als etwas schwierig erwies. „Alles musste etwas kleiner als üblich sein“, sagt Pyke. Ein Minotti Aston-Sofa mit einer Rückenlehne in Form einer Klammer und ein Yak-Sofa mit Eschenholzrahmen von De Padova passten stimmig hinein. Sie stehen vor einer klobigen „Kim“-Holzbank von De La Espada und einem bronzenen Beistelltisch „Loren“ von Baxter, der hier einen konventionellen Couchtisch ersetzt.
Im Obergeschoss befindet sich das Schlafzimmer mit Ankleidezimmer, in dessen Zentrum eine Insel mit einem Rahmen aus geschwärzter Bronze und einer Platte aus Vigo Lena-Marmor steht, die von einer Lampe von Allied Maker beleuchtet wird. Das Sonnenlicht aus den nach Osten gerichteten Fenstern fällt durch die transparenten Vorhänge in das Schlafzimmer und lässt die Suite erstrahlen. Die Wände sind in einem hellen Graugrün gestrichen, das Pyke als „Chamäleonfarbe“ bezeichnet. Sie ist ruhig und reichhaltig und schafft es dabei irgendwie, neutral zu sein, ohne jemals glanzlos zu wirken.“
Sie wählten einen eher theatralischen Ansatz mit einem Haus, das von einer großen Grünfläche umgeben ist. „Als Antwort auf den Garten, der in unseren Augen so romantisch wirkte“, sagt Arent, „wollten wir die Stimmung einer anderen Zeit, eines anderen Ortes heraufbeschwören.“
Nachdem sie ihrer Kundschaft Bilder einer italienischen Loggia mit Terrazzoböden im Schachbrettmuster gezeigt hatten, erhielten sie die Genehmigung, die Anbauräume ähnlich zu gestalten. Der Übergang von den bestehenden Zimmern mit Holzböden zu den Zimmern mit grünen und weißen Terrazzofliesen „ist wie Dorothys Ankunft in Oz“, sagte Arent letztes Jahr der Vogue Living Australia.
Die Farbe der Bodenfliesen findet sich im Smaragdgrün der Küchenschränke wieder, was das Haus optisch mit seiner üppigen Umgebung verbindet. In Zusammenarbeit mit der Architektin Polly Harbison entwickelten Arent und Pyke gewölbte Türöffnungen, die den neuen Räumen einen Hauch von Surrealismus verleihen. „Der Kunde wollte herausgefordert werden, und das hat es uns ermöglicht, unsere kreativen Muskeln spielen zu lassen“, sagt Arent und fügt hinzu: „Ich würde sofort in dieses Haus einziehen.“
Ein neues Haus mit Blick auf den Hafen von Sydney bot den Designerinnen eine weitere Gelegenheit, sich auszutoben. Das Fundament war bereits gegossen, als der Bauherr sie beauftragte. „Die Hülle war also vorgegeben“, sagt Pyke, „aber innerhalb der Hülle konnten wir alles bestimmen.“
Ihr erstes Ziel war es, das Beste aus der maritimen Umgebung herauszuholen. „Man hat das Gefühl, auf einem Boot zu sein. Es ist wirklich einmalig“, sagt Pyke. Für das Schlafzimmer im Obergeschoss wünschten sich die Auftraggeber Fenster ohne Vorhänge. „Sie wachen praktisch in den Jacaranda- und Eukalyptusbäumen draußen auf“, bemerkt sie. Gleichzeitig gibt sie zu, dass das kahle Fenster „eine Herausforderung für mich war, weil ich die Weichheit mag, die ein Vorhang in einen Raum bringt.“
Sie und Arent konnten diese Sanftheit an anderer Stelle erreichen. Die Struktur der Sperrholzdecken hilft dabei ebenso wie der moosfarbene Wohnzimmerteppich. Die Designerinnen schufen eine Mischung aus modernen Klassikern – zum Beispiel eine de Marseille-Minilampe von Le Corbusier über der Küchentheke – und neuen Objekten aus aller Welt. Im Wohnzimmer steht ein Paar Mad Lounge Sessel aus Massivholz und geflochtenem Rattan von Sollos neben einem geschwungenen Fat Tulip-Sofa und einem zweistufigen, zweifarbigen Molloy-Couchtisch, beide von Adam Goodrum, einem der besten Designer Australiens. Im Esszimmer stehen die Vintage-Stühle der Hauseigentümer um einen neuen Tisch aus Dänemark auf einem marokkanisch inspirierten Teppich.
In den Bädern zeugen die ungewöhnlichen Proportionen einiger Elemente – wie die tiefen Terrazzo-Schürzen an den Waschtischen – von der ästhetischen Kühnheit, die die Inneneinrichtungen von Arent&Pyke auszeichnet.
Aber für die Designerinnen ist das bedeutendste Objekt im Haus vielleicht sogar eines, das sie selbst gar nicht ausgesucht haben: der rot-weiß gestreifte „Up Series 2000“-Sessel mit dem wasserballähnlichen Polsterhocker, der 1969 von dem talentierten Gaetano Pesce entworfen wurde. Dass die Kunden diesen Sessel bereits besaßen, betrachteten Pyke und Arent als „Freigabe“ für kühne und verspielte Interieurs.
„Dieser Sessel“, sagt Pyke, „zeigte uns ganz offensichtlich, wer sie sind und wohin wir sie bringen konnten.“