22. Mai 2022So setzt man hohe Maßstäbe: Man nennt sein Unternehmen die „Magic Factory“ und erklärt in seiner Mission „immer die Erwartungen zu übertreffen und niemals zu enttäuschen“.
Diese Formel hat für den Designer Ken Fulk funktioniert. Seine Superkraft, so erzählt er Introspective, ist eine lebenslange Fähigkeit „sich Dinge vorstellen zu können – so, wie sie sein könnten oder sein sollten“, und zwar bis ins letzte Detail.
Diese Kompetenz hat es ihm ermöglicht, ohne formale Designausbildung ein beeindruckendes Projektportfolio an Häusern, Restaurants, Ressorts und Hotels anzusammeln. Die Vorhaben, die er sowohl im Auftrag Dritter als auch im Rahmen seiner Teilhabe an Unternehmen durchgeführt hat, zeichnen sich durch eine geradezu filmische Bandbreite aus. Einige dieser Projekte sind auf fantastische Weise maximalistisch, jeder Quadratzentimeter eine Chance, Farbe, Muster oder Verzierungen einzubringen. In anderen nimmt er Bezug auf Strandhäuser in den Hamptons, auf Bauernhäuser im Napa Valley oder auf Hütten am Lake Tahoe, so monumental dimensioniert und so kühn ausgeführt, dass sie die Originale übertreffen.
Der 56-jährige Ken Fulk, ein Mitglied der diesjährigen 1stDibs 50, wählte den Namen Magic Factory im Jahr 2006 – zum einen als Hommage an Andy Warhols „Factory“, einer kreativen Brutstätte der 1960er-, 70er- und 80er-Jahre. Zum anderen wollte er eine Haltung vermitteln, die nicht durch „vorab festgelegte ‚das-können-wir-anbieten‘-Musterlösungen“ eingeschränkt ist.
„Ich werde niemals einen typischen Look haben“, sagt er. „Das wäre beinahe Faulheit. Jede Situation – jeder Ort ist neu.“
Belege für die Magie, die Fulk und seine 80 in San Francisco und New York tätigen Mitarbeitenden vollbringen, findet man in der prachtvollen, bei Assouline erschienenen Monografie: Ken Fulk: The Movie in My Mind – sinngemäß: „Der Film in meinem Kopf“.
Zu den im Buch vorgestellten Projekten gehören ein 3000 m² großes „Technicolor“-Ferienhaus an der mexikanischen Sea of Cortez; die Wiener Residenz des US-Botschafters in Österreich mit von Gustav Klimt und Josef Hoffmann inspirierten Wandmalereien und Möbeln; das Sun House, ein kalifornisches Bauernhaus, das als Fantasie aus Gitterwerk, Intarsienböden und Wandmalereien neu gestaltet wurde; das Goodtime Hotel in Miami mit 266 Zimmern, ein pastellfarbenes Juwel, zu dessen Eigentümern der Unterhaltungsmogul Pharrell Williams gehört; das Tosca Cafe, eine legendäre, jahrhundertealte Bar in San Francisco, die einst von Beat-Poet*innen und anderen Kulturgrößen besucht wurde und nun als stimmungsvolles Restaurant mit roten Lederbänken und Opernklängen aus der Jukebox neu gestaltet wurde, und das Commodore Perry Estate, ein 1928 erbautes, italienisiertes Herrenhaus – jetzt Resort – im texanischen Hill Country, dessen ursprüngliche Holz- und Metallelemente Fulk als Grundlage für sein exzentrisches, glamouröses Dekor dienten.
„Uns sind unglaubliche Räume anvertraut worden“, sagt Fulk. „Das ist für mich wie eine Verpflichtung – wir dürfen es nicht vermasseln.“
In den vergangenen Jahren hat Fulks „innerer Kameramann“ ihn fast zufällig dazu gebracht, einige bedeutende architektonische Schätze zu retten. In dieser zufälligen Mission geht es für ihn darum „außergewöhnliche Orte zu bewahren, sie aber nicht museal einzufrieren“. Stattdessen nimmt er den historischen Faden auf und erschafft etwas ganz Neues.
In San Francisco fuhr Fulk jahrelang an einer beeindruckenden, aber verfallenden neoromanischen Kirche vorbei und fragte sich, warum niemand etwas gegen den Verfall unternahm. Letztendlich entschloss er sich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er nutzte seine Verbindungen und seine Ressourcen, um das Gebäude aus dem Jahr 1913 zu restaurieren und die Saint Joseph’s Art Society zu gründen, eine gemeinnützige Organisation, die es Künstler*innen unterschiedlicher Genres ermöglicht, ihre Werke in einem gewaltigen sonnendurchfluteten Raum – makellos vom Boden bis zur Kuppel – auszustellen.
In einer ähnlichen Situation vor einigen Jahren, beim Blick aus dem Fenster seines Hauses in Provincetown auf Cape Cod aus den 1760er-Jahren, das er gemeinsam mit seinem Ehemann Kurt Wootton bewohnt, beschloss er, das „verrottete, deprimierende“ Gebäude aus dem 18. Jahrhundert auf der anderen Straßenseite zu kaufen und zu restaurieren. Wiedergeboren als Heimat der „Provincetown Arts Society“, einer Erweiterung der Saint Joseph’s Art Society, ist das Gebäude nun ein Ort für Ausstellungen, Lesungen und andere Veranstaltungen. Darüber hinaus gibt es acht Schlafzimmer für Künstler*innen, die ein Gaststipendium erhalten.
Die ursprünglichen Balkendecken und Holzböden des Gebäudes wurden mit hohem Aufwand restauriert, doch die Einrichtung ist – aus wirtschaftlichen Gründen – eine fröhliche Mischung aus neu gepolsterten Auktionsfunden und gespendeten Antiquitäten, die in großer Selbstverständlichkeit mit wechselnden zeitgenössischen Kunstwerken kombiniert werden.
In Boston gestaltete Fulk unterdessen die zahlreichen Räume des 1888 von McKim, Mead und White entworfenen Algonquin Clubs neu – eines etwas in die Jahre gekommenen, verfallenden Beaux Arts-Meisterwerks. Das Anwesen, jetzt ein privater Club mit dem Namen ’Quin House, ist zu einem üppigen neoviktorianischen Prachtgebäude geworden, mit Lincrusta-Tapeten, Bergère-Sesseln mit Leopardenmuster-Bezug und kurvigen Samtsofas mit langen Fransen.
Um im ’Quin zu dinieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten, darunter das elegante Bondo, ein holzvertäfelter Salon aus dem Gilded Age, der von einem gewaltigen glitzernden Kronleuchter beherrscht wird, angefertigt aus den Wurzeln eines Baums – oder aber eine bezaubernde kleine Teestube mit einem Spalier in einem gemauerten ehemaligen Belüftungsschacht.
Fulk beschaffte zahlreiche ungewöhnliche Vintage-Objekte und Leuchten für das Interieur des 150 Jahre alten Gebäudes, darunter Couchtische aus patinierter Bronze von der Gottlieb Gallery für das Eingangsfoyer, ein Kronleuchtertrio aus Messing und geblasenem Glas aus den 1960er-Jahren von Davidowski für die Champagnerbar Scottie’s und einen Volkskunst-Ziegenbock aus vergoldetem Kiefernholz des zeitgenössischen amerikanischen Künstlers Will Kautz von Sylvia Antiques für das informelle Cafe Q.
Fulks Rezept für derart wertvolle, aber vernachlässigte historische Orte? „Zurückholen, mit Leben füllen und eine Gemeinschaft für sie schaffen.“
A bit of drama and whimsy doesn’t hurt either. LA MAISON PIERRE FREY’s Le grand corail fabric, for example, swathes the walls and forms draping curtains in the ground-floor salon of Saint Joseph’s Art Society’s, and in the church’s lofty main space, bear-shaped taxidermy molds reimagined as flag bearers by Dutch artists DARWIN, SINKE & VAN TONGEREN hold the society’s standard.
Wie Fulks Magie genau funktioniert, bleibt ein Geheimnis, nicht zuletzt für ihn selbst. „Wie ich an diese Fähigkeit gekommen bin, ist mir ein Rätsel“, sagt er. Er lobt sein talentiertes Team in den Himmel, zweifellos ist er jedoch der kreative Kopf, der sich auf das verlässt, was er die „unendlich lange (Film-)Spule“ nennt, die sich in seinen Gedanken seit seiner Kindheit abspielt.
Fulk ist kein Zeichner; das heißt „wir beginnen jedes Projekt mit Worten“, erklärt er „Wir sitzen zusammen, ich erkläre, wie ich die Dinge sehe, und wir erwecken sie zum Leben – egal, ob es eine Dinnerparty, eine Jacht, ein Flugzeug oder ein Hotel ist. Ich verwende oft filmische oder kulturelle Bezüge, die ein Projekt von Anfang bis Ende begleiten.“
Die Projektarbeit für die legendäre Bar Tosca in San Francisco begann er mit den bedeutungsschweren Worten „Dashiell Hammett, Francis Ford Coppola und Allen Ginsberg gingen mal in eine Bar …“, und die Renovierung eines Bauernhauses im Napa Valley mit „ein Teil ,Falcon Crest’, zwei Teile ,Petticoat Junction’“. Das Motto für das ‘Quin House lautete „Rockstars beziehen das Herrenhaus ihres Großvaters“.
Auf diese Weise beginnt ein komplexer Prozess, der mehr als nur eine entfernte Ähnlichkeit mit der Entwicklung einer Bühnen- oder Filmproduktion aufweist.
Fulk, der in der Mittelschicht im ländlichen Virginia aufwuchs, wurde von seiner Mutter für seine „Illusionen voller Grandeur“ geneckt. Seine ästhetische Vorstellungskraft schärfte er in den beiden Kinos seines Heimatortes. Film bedeutete für ihn Inspiration. „Man saß im Dunkeln und betrachtete eine wunderschöne, glamouröse, beängstigende und inspirierende Welt“, erinnert er sich. „Scheinbar ist da in mir ein Samenkorn gesät worden.“
Dieses Samenkorn keimt endlos und kreativ weiter. In Kürze wird er alle gestalterischen Register für die Renovierung des majestätischen Blantyre ziehen – ein zum Hotel gewordenes Herrenhaus im Tudor-Stil in den Berkshire-Bergen im westlichen Massachusetts („ein amerikanisches Downton Abbey“, so Fulk). Dasselbe plant er für das Soniat House, ein beliebtes Hotel in New Orleans, das aus einem atmosphärischen Mischmasch dreier Stadthäuser aus dem frühen 19. Jahrhunderts im French Quarter besteht.
Was könnte Fulk möglicherweise noch auf seinem Zettel haben? Eine Renovierung des Chrysler-Gebäudes – des bekanntesten Art déco-Monuments des Landes – vielleicht? Ja, genau.
Der jüngste Coup der Magic Factory ist die Neugestaltung des Cloud Clubs, der ursprünglich die Etagen 66, 67 und 68 des Chrysler-Gebäudes einnahm, genau unterhalb der ikonischen Spitze. Mit der Reinkarnation dieser altehrwürdigen Einrichtung ein paar Stockwerke tiefer betraut, spürt Fulk – ein bescheidener Mensch, der seinen jetzigen Ehemann vor 30 Jahren in einem Waschsalon in Boston kennenlernte – den Druck.
„Wie wird man dieser Sache gerecht? Wie vermeidet man, einfach nur die historische Situation wiederherzustellen? Wie bringt man das voran, ohne zu enttäuschen? Das ist definitiv eine Herausforderung“, sagt er, „das darf man nicht vermasseln!“
Glücklicherweise verfügt Fulk über eine weitere Superkraft: angeborenen Optimismus oder, wie er es nennt, „ja zu etwas zu sagen, von dem man noch nicht weiß, wie man es machen wird, aber irgendwie findet man schon einen Weg“.
„Ich finde es frustrierend, wenn Menschen über die glorreichen alten Zeiten schwadronieren“, ergänzt er. „Obwohl wir Dinge tun, in denen Nostalgie mitschwingt, bin ich merkwürdigerweise kein nostalgischer Mensch. Die spannendsten Dinge liegen vor uns.“