18. September 2022Die Modeillustratorin und -sammlerin Jenny Walton kultiviert einen Stil, der den klassischen Hitchcock’schen Glamour der 1950er-Jahre mit der Extravaganz des 21. Jahrhunderts kombiniert. Damit ist sie weit über die Modewelt hinaus zu einem echten „It-Girl“ geworden.
Mit ihrer Marnie-meets-Marni-Ästhetik hat sie mittlerweile mehr als 350.000 Follower*innen auf Instagram. Und ihre Illustrationen von stimmungsvollen Figuren, die sich fast auf dem Blatt zu bewegen scheinen, haben ihr Gigs u. a. bei Gucci, Moncler und Bottega Veneta beschert.
Ihre Geschichte nahm in Richwood, New Jersey, ihren Anfang, wo sie aufwuchs und wo ihre Mutter ihr und ihren Schwestern das Nähen beibrachte. Nach ihrem Bachelor-Abschluss an der Parsons School of Design in New York ergatterte Walton einen Job als Assistant Knitwear Designer bei der Modemarke Calypso St. Barth. Die langen Fahrten zur Arbeit vertrieb sie sich mit dem Zeichnen von Skizzen, die sie auf Instagram postete. Diese Skizzen fielen einem Geschäft in Manhattan auf, das Jenny Walton bat, die Gäste auf seiner Eröffnungsfeier zu porträtieren. Kurz danach wurde sie beauftragt, eine 14-seitige Story in der Zeitschrift InStyle zu illustrieren – auch dieser Auftrag kam über ihren Instagram-Account zustande. „Ich brauchte nicht einmal ein Portfolio. Das ist schon verrückt“, erinnert sich die Illustratorin. „Von da an nahmen die Dinge einfach ihren Lauf.“
Im Jahr 2014 wurde Walton zum Fashion Director des Street-Style-Blogs The Sartorialist ernannt – ein beruflicher Schritt, der auch ihr Privatleben von Grund auf verändert hat. 2017 verlobte sie sich mit dem Gründer des Blogs, Scott Schuman. Das Paar zog im vergangenen Herbst gemeinsam von Manhattan nach Mailand.
Im Frühjahr dieses Jahres aber kam das Paar zu dem Schluss, dass ihre Beziehung erschöpft war. Ein Punkt, an dem Walton wieder zurück in die USA hätte gehen können. Stattdessen entschied sie, aus Zitronen Limoncello zu machen, und blieb in der Modehauptstadt, wo sie vor Kurzem eine eigene Wohnung im Osten Mailands gefunden hat. „Es ist ein historisches Gebäude aus der Zeit um 1920“, erklärt sie. „Am Eingang wird man von zwei Löwen begrüßt und das Treppenhaus ist einfach Wahnsinn.“
Obwohl Walton schon immer gerne dekoriert hat, konnte sie sich nicht auf eine bestimmte Ästhetik für ihre neue Wohnung festlegen. „Die Wohnung fühlt sich irgendwie französisch an. Ich glaube, das liegt an den hohen Fenstern und dem Parkettboden“, erzählt sie. „Darum war ich am Anfang etwas ratlos. Soll ich die Wohnung französisch oder italienisch einrichten? Diese Frage habe ich sogar in einer meiner Instagram-Storys gestellt. Und alle meinten: ‚Entscheiden – warum? Wovon redest du? Du musst doch nicht zwischen französisch oder italienisch wählen!‘“
Walton nahm sich die Kommentare zu Herzen und kauft jetzt nach und nach Stücke aus ganz Europa, viele davon auf 1stDibs. „Es ist schon komisch, irgendwie spiegelt die Wohnung genau wider, wo ich gerade im Leben stehe“, findet sie. „Ich finde gerade wieder zu mir selbst. Und deshalb versuche ich, meine Wohnung auch so sorgfältig und liebevoll einzurichten.“
Bei der Auswahl der Objekte war ein Designer ein absolutes Muss: „Gio Ponti ist einer der unglaublichsten und bekanntesten italienischen Designer aller Zeiten“, erklärt sie. „Deshalb wollte ich unbedingt etwas von Gio Ponti in meiner Wohnung haben!“
Viele der Werke von Ponti, die ihr gefielen, sprengten allerdings ihr Budget („Ich mag die Superleggera-Stühle – für mich sind sie das perfekte Design und mir gefällt, wie leicht sie sind.“). Also kaufte sie kleinere Objekte, darunter ein Set markanter silberbeschichteter Soliflore-Vasen aus dem Jahr 1938.
„In diesem Moment dreht sich alles in meinem Leben darum, gut zu mir selbst zu sein“, erklärt Walton. „Ich habe außerdem ein Silbertablett bei 1stDibs gekauft. Die Idee dahinter: Morgens möchte ich im Bett frühstücken, mit meinem Silbertablett, meinem Kaffee, meiner Brioche und meinen Hunden. Und dazu stelle ich eine schöne kleine Blume in meine Vase von Gio Ponte.“
Zu ihren 1stDibs-Käufen gehört auch ein Couchtisch aus der Mitte des Jahrhunderts von Osvaldo Borsani aus hellem Walnussholz von 1940. „Ich mag seine geschwungenen Beine“, schwärmt sie. „Der Tisch sieht aus wie ein Wesen – entweder ein Alien oder ein Insekt. Er hat Persönlichkeit. Am liebsten würde ich ihm einen Namen geben. Einfach toll!“
Walton erzählt, dass eine Leuchte in einer Bar, an der sie auf ihrem Weg zur Parsons School of Design immer vorbeikam, sie zum Kauf der Bauhaus-Hängeleuchte, die sie auf der Website gefunden hat, inspirierte. „In dieser Bar gab es wunderschöne Kugelleuchten“, erinnert sie sich. „Als ich dann nach Paris und Mailand reiste, wurde mir klar, wie verbreitet sie hier sind. In Mailand liebt man Kugelleuchten einfach. Ich habe mich in sie verliebt, weil sie so schlicht und schön sind.“
Sie erzählt, dass ihre Wahl, ein kleiner französischer Eckstuhl, von Fotos aus Henri Matisses Atelier inspiriert war. „Auf einem der Fotos stand ein Eckstuhl, der sehr ähnlich aussah, irgendwie ländlich französisch“, so Walton. „Mein erster Gedanke war: ‚Oh, so einen Eckstuhl brauche ich auch!‘ Und dann fand ich diesen hier auf 1stDibs. Ich weiß gar nicht, was sein eigentlicher Zweck ist. Aber er ist so schön.“
Tatsächlich kauft Walton seit vielen Jahren auf der Website ein und findet hier immer wieder Inspiration. Dabei hat sie schon viele Vintage- und antike Schätze entdeckt. Und das machte sie zur perfekten Wahl, um eine Kollektion ihrer Lieblingsstücke für 1stDibs-Auktionen zusammenzustellen.
Sie kennt sich mit Auktionen bestens aus, denn schließlich führte ihre Mutter sie in diese Welt ein. „Es ist aufregend, wenn die Zeit abläuft. Aus diesem Grund liebe ich Auktionen“, sagt Walton und fügt hinzu, dass der Gedanke, ein Schnäppchen zu machen, genauso motivierend ist. „Vor allem, wenn es keinen Mindestpreis gibt. Dann denkt man: ‚Wenn alle anderen gerade schlafen, könnte ich das zu einem tollen Preis ergattern.‘ Das ist einfach reizvoll.“
Zu den für 1stDibs-Auktionen ausgewählten Objekten gehört eine barocke italienische Cassapanca aus dem 19. Jahrhundert, eine Aufbewahrungsbank also, die in Aqua und Grün lackiert ist. Walton hat sie wegen ihres Aussehens und ihrer Herkunft ausgewählt. „Die Farben dieser Bank sind fantastisch“, findet sie. „Außerdem gefällt mir, dass in der Beschreibung erwähnt wird, wie selten man eine Cassapanca findet. Denn normalerweise blieben sie in den Florentiner Palästen und wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Es mag sein, dass man sich keinen Palast in Florenz leisten kann, dafür aber eine Bank, die in einem solchen Palast gestanden hat.“
Als Prada-Sammlerin hat Jenny Walton zusammen mit einer anderen Person einen Instagram-Account ins Leben gerufen, bei dem sich alles um die Vintage-Stücke der Marke dreht. Und natürlich enthält die von ihr zusammengestellte Auswahl auch ein paar besonders herausragende Stücke. Eins davon, eine farbenfrohe PVC-Tragetasche mit grünem Lederbesatz, ist mit Sicherheit ein echter Blickfang. „Ein interessanter Materialmix“, bemerkt Walton. „Die Tasche ist perfekt für einen Urlaub am Meer. Wenn man dann leider zurück in die Stadt muss, hat man diese Energie quasi im Gepäck.“
Apropos Energie mit nach Hause nehmen: Wer Jenny Waltons Wohnung betritt, dem fällt sofort eine fast ein Meter hohe Holzskulptur auf. Auch diesen Art déco-Akt des amerikanischen Künstlers James House von 1938 entdeckte Walton bei 1stDibs. Jetzt hat er einen ganz besonderen Platz im neuen Zuhause gefunden. Falls etwas auffällig wirkt, dann ist das Absicht. „Ich bin gerade in dieser Phase, in der ich mich selbst wiederfinde, meinen Raum, meine Identität“, erklärt sie. „Ich stehe wirklich auf diese weibliche Energie. Wenn Sie also reinkommen, sehen Sie die Skulptur sofort. Von mir aus darf das ruhig ein bisschen anstößig wirken.“
Wie seine Besitzerin hat das Stück in letzter Zeit einige Entwurzelungen durchlaufen – und ist triumphierend auf der anderen Seite angekommen. „Sie ist genauso groß wie ein Away-Koffer“, meint Jenny Walton. „Beim Einpacken habe ich versucht, ihre Arme in den Koffer zu bekommen, und dann den ganzen Flug von New York nach Mailand gebetet, dass sie nicht kaputt geht. Aber sie kam unversehrt wieder heraus und ist so schön wie eh und je!“