11. September 2022 In Venedig sind historische Gebäude, die in moderne Hotels umgewandelt wurden, keine Seltenheit. Aber die jüngste Umsetzung dieses Konzepts in der von Kanälen durchzogenen Stadt rühmt sich eines ästhetischen Stammbaums, wie man ihn dort selten findet.
Als das Ca‘ di Dio im Jahr 2021 in einem stimmungsvollen Palazzo aus dem 13. Jahrhundert eröffnete, präsentierte es sich mit komplett neuen Innenräumen, die von der in Spanien geborenen und mittlerweile in Mailand lebenden Architektin Patricia Urquiola gestaltet wurden.
Urquiola, die für ihre Statement-Arbeiten für so außergewöhnliche Hotels wie das Il Sereno am Comer See, das Mandarin Oriental in Barcelona und das Das Stue in Berlin bekannt ist, hat hier mit der berühmten italienischen Möbelfirma Molteni&C zusammengearbeitet, um Räume zu schaffen, die die historische Atmosphäre auf vielfältige, kreative und unerwartete Weise ergänzen. (Urquiola entwirft auch selbst sehr erfolgreich Möbel – viele ihrer Objekte sind auf 1stDibs zu finden. Zu ihren Arbeiten gehören Stücke für Molteni&C sowie Kollektionen unter anderem für B&B Italia, FLOS, Foscarini, Cassina, cc-tapis, GAN, Georg Jensen, Kartell und Moroso.)
Das Ca‘ di Dio liegt an der Mündung des Canal Grande in die venezianische Lagune, nur wenige Gehminuten von der Arsenale-Werft entfernt, die berühmt für ihre Ausstellungen während der Biennale ist. Die 57 Suiten und neun Zimmer des Hotels sowie die verschiedenen Gemeinschaftsbereiche – darunter ein Garten im Innenhof und eine Lobby in der ehemaligen Kapelle des Gebäudes – sind in einer Farbpalette gehalten, die das Setting perfekt ergänzt.
Dunkle, stimmungsvolle Blautöne und hellere, fröhliche Türkistöne spiegeln die Farben der Kanäle und der Lagune wider. Terrakotta und andere Erdtöne erinnern an die Fassaden der Gebäude, Bürgersteige und Piazzas der Stadt. Edelsteingleiche Akzente funkeln wie Muranoglas.
Möbel mit geschwungenen Formen und Plüschpolstern setzen einen Kontrapunkt zu den eher strengen, geradlinigen Formen des jahrhundertealten Gebäudes, das ursprünglich als Herberge für Pilger auf ihrem Weg ins Heilige Land diente (daher auch der Name „Ca‘ di Dio“ – „Haus Gottes“).
Urquiola erklärt, dass sie mit ihrem Entwurf sowohl die venezianische Geschichte mit der Moderne verschmelzen als auch die beiden Seelen Venedigs zusammenbringen wollte – zwei Seiten, die sich scheinbar widersprechen, aus denen aber ein interessantes Zusammenspiel und ein einzigartiges Projekt entstanden sei. „Auf der einen Seite“, so führt die Architektin aus, „ist da die Strenge des Gebäudes und der ursprünglichen Struktur, auf der anderen Seite die raffinierte und traditionelle Eleganz, die venezianische Paläste auszeichnet“.
Die Sonderanfertigungen, die sie gemeinsam mit Molteni&C realisiert hat – darunter ein Bett, Sessel und Sofas – sowie andere Objekte, die sie aus den Kollektionen der Möbelfirma ausgewählt hat (die „Filigree“-Tische von Rodolfo Dordoni und die „Woody“-Stühle von Francesco Meda), schlagen eine Brücke zwischen diesen beiden Seiten.
Urquiola hat sich für die Zusammenarbeit mit Molteni&C entschieden, weil das Unternehmen „ein hohes Qualitätsniveau bei Material und Arbeit“ an den Tag legt und sie bereits erfolgreich mit der Marke zusammengearbeitet hat. Zu den Projekten gehört ihr Entwurf für den japanischen Flagship-Store von Molteni&C in Tokio.
Was die Entscheidung des Ca‘ di Dio betrifft, mit Urquiola zusammenzuarbeiten, verweist Geschäftsführer Christophe Mercier auf die enge Bindung der Designerin zu Venedig („Hier hat sie geheiratet“, so Mercier) und auf ihre beeindruckende Designvision für das Hotel.
„Patricia war sehr darauf bedacht, den Geist von Ca‘ di Dio als venezianisches Haus zu respektieren und zu bewahren“, erinnert sich Mercier und lobt ihre „Interpretation der eleganten und noblen venezianischen Wurzeln“.
Hier erzählt Patricia Urquiola Introspective mehr über dieses durch und durch venezianische Refugium.
Die Farbpalette: nüchtern und dezent, mit Schattierungen und Transparenz in einem fließenden Spiel ständiger Bewegung – genau wie das Wasser der Lagunenstadt. Die Idee dahinter: das Venedig der verborgenen Gassen aus alten Backsteinen mit dem Venedig der Nobelpaläste in Kontrast zu setzen und letztendlich zu vereinen. Ich habe Materialien gewählt, die für die Stadt und ihre Traditionen stehen: Glas, Holz, Schmiedeeisen, Stein und Marmor.
Die Kunst der Kombination: In der Lobby, einem der ältesten Bereiche des Ca‘ di Dio, treffen moderne Teppiche, leichte Vorhänge und ein großer skulpturaler Kronleuchter aus Muranoglas auf die historische Architektur der ehemaligen Kapelle mit ihren Schreinen, Altären und Nischen.
Der Teufel steckt im Detail: Die Türen zwischen Lobby und Lesezimmer sind das Ergebnis eines handwerklichen Experiments, bei dem das Glas mit Walzen geformt wurde. Sie sollen an die traditionelle venezianische Glasmalerei, vetro piombato, erinnern.
Der Vintage-Fund: Der antike Tisch in der Lobby, der sich bereits im Gebäude befand, ist eine Leihgabe aus der Sammlung der städtischen Istituzioni Pubbliche di Assistenza Veneziane. Er ist mit Büchern und Monographien über Venedig bestückt.
Das Pièce de Résistance: In einem Raum zwischen dem Restaurant und dem Innenhof hängt unter einem roten Kronleuchter aus Muranoglas ein „Bric“-Tisch von Mario Bellini für Riva 1920. Er verkörpert den venezianischen Geist auf das Wunderbarste, denn er ist aus massivem Eichenholz gefertigt – und damit aus demselben Holz wie die briccole, die Pfähle also, auf denen Venedig bis heute steht.
Das perfekte Zimmer: eine der beiden Altana-Suiten mit privater Dachterrasse und freiem Blick auf die venezianische Lagune, von der Insel San Giorgio Maggiore über die Punta della Dogana bis zum Markusplatz.