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Vergangenheit trifft auf Gegenwart: das neue venezianische Luxushotel von Patricia Urquiola und Molteni&C

Die Designerin Patricia Urquiola vor einem Bücherregal in ihrem Studio
Die Mailänder Architektin Patricia Urquiola entwirft nicht nur Möbel für B&B Italia, FLOS, FOSCARINI, CASSINA, CC-TAPIS, GAN, GEORG JENSEN, KARTELL und Moroso, sondern hat sich auch mit der Gestaltung von Hotels eine Nische geschaffen (Foto © Nicola Carignani). Ihr jüngstes Werk ist das Ca’ di Dio (oben), das sich in einem über 700 Jahre alten Gebäude – einst eine Pilgerherberge – nördlich des Canal Grande in Venedig befindet. In den Gästezimmern finden sich Objekte, die Urquiola gemeinsam mit Molteni&C entworfen hat. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Ca‘ di Dio, sofern nicht anders angegeben

In Venedig sind historische Gebäude, die in moderne Hotels umgewandelt wurden, keine Seltenheit. Aber die jüngste Umsetzung dieses Konzepts in der von Kanälen durchzogenen Stadt rühmt sich eines ästhetischen Stammbaums, wie man ihn dort selten findet.

Als das Ca‘ di Dio im Jahr 2021 in einem stimmungsvollen Palazzo aus dem 13. Jahrhundert eröffnete, präsentierte es sich mit komplett neuen Innenräumen, die von der in Spanien geborenen und mittlerweile in Mailand lebenden Architektin Patricia Urquiola gestaltet wurden.

Urquiola, die für ihre Statement-Arbeiten für so außergewöhnliche Hotels wie das Il Sereno am Comer See, das Mandarin Oriental in Barcelona und das Das Stue in Berlin bekannt ist, hat hier mit der berühmten italienischen Möbelfirma Molteni&C zusammengearbeitet, um Räume zu schaffen, die die historische Atmosphäre auf vielfältige, kreative und unerwartete Weise ergänzen. (Urquiola entwirft auch selbst sehr erfolgreich Möbel – viele ihrer Objekte sind auf 1stDibs zu finden. Zu ihren Arbeiten gehören Stücke für Molteni&C sowie Kollektionen unter anderem für B&B Italia, FLOS, Foscarini, Cassina, cc-tapis, GAN, Georg Jensen, Kartell und Moroso.)

Das Ca‘ di Dio liegt an der Mündung des Canal Grande in die venezianische Lagune, nur wenige Gehminuten von der Arsenale-Werft entfernt, die berühmt für ihre Ausstellungen während der Biennale ist. Die 57 Suiten und neun Zimmer des Hotels sowie die verschiedenen Gemeinschaftsbereiche – darunter ein Garten im Innenhof und eine Lobby in der ehemaligen Kapelle des Gebäudes – sind in einer Farbpalette gehalten, die das Setting perfekt ergänzt.

Dunkle, stimmungsvolle Blautöne und hellere, fröhliche Türkistöne spiegeln die Farben der Kanäle und der Lagune wider. Terrakotta und andere Erdtöne erinnern an die Fassaden der Gebäude, Bürgersteige und Piazzas der Stadt. Edelsteingleiche Akzente funkeln wie Muranoglas.

Möbel mit geschwungenen Formen und Plüschpolstern setzen einen Kontrapunkt zu den eher strengen, geradlinigen Formen des jahrhundertealten Gebäudes, das ursprünglich als Herberge für Pilger auf ihrem Weg ins Heilige Land diente (daher auch der Name „Ca‘ di Dio“ – „Haus Gottes“).

Gästezimmer im neuen Hotel Ca' di Dio in Venedig mit maßgefertigten Betten, Sesseln, Sofas und kleinen Tischen, die Patricia Urquiola zusammen mit Molteni entworfen hat
Urquiola entwarf zusammen mit Molteni&C die Betten, Sessel, Sofas und kleinen Tische in den 66 Zimmern und Suiten des Hotels, deren Farben eine Hommage an die Türkistöne der Kanäle und die Terrakottatöne des Stadtbildes sind. Leuchten aus Muranoglas runden das Ganze ab.

Urquiola erklärt, dass sie mit ihrem Entwurf sowohl die venezianische Geschichte mit der Moderne verschmelzen als auch die beiden Seelen Venedigs zusammenbringen wollte – zwei Seiten, die sich scheinbar widersprechen, aus denen aber ein interessantes Zusammenspiel und ein einzigartiges Projekt entstanden sei. „Auf der einen Seite“, so führt die Architektin aus, „ist da die Strenge des Gebäudes und der ursprünglichen Struktur, auf der anderen Seite die raffinierte und traditionelle Eleganz, die venezianische Paläste auszeichnet“.

Der Innenhof des neuen Ca' di Dio, entworfen von Patricia Urquiola
Wie im gesamten Hotel hat Urquiola auch im Innenhof Alt und Neu kombiniert. So platzierte sie beispielsweise ein Paar ihrer hochlehnigen Crinoline-Stühle für B&B Italia auf dem jahrhundertealten Steinpflaster in der Nähe eines Brunnens aus gemeißeltem Stein (ohne Abbildung). Die niedrigen Tische sind aus ihrer Kollektion für Kettal, die Esstische und Stühle von Varaschin.

Die Sonderanfertigungen, die sie gemeinsam mit Molteni&C realisiert hat – darunter ein Bett, Sessel und Sofas – sowie andere Objekte, die sie aus den Kollektionen der Möbelfirma ausgewählt hat (die „Filigree“-Tische von Rodolfo Dordoni und die „Woody“-Stühle von Francesco Meda), schlagen eine Brücke zwischen diesen beiden Seiten.

Das neue Lesezimmer des Hotels Ca' di Dio in Venedig in Blautönen mit Bücherregalen mit Verkleidung aus marmoriertem Papier. Hotelarchitektur und Inneneinrichtung von Patricia Urquiola
Für die Decke des Lesezimmers wählte Urquiola „Poliedri“-Leuchten, die Carlo Scarpa ursprünglich für den Muranoglas-Produzenten Venini entworfen hatte. Die Sitze und höheren Tische hat Urquiola eigens für das Hotel designt, während die niedrigen Tische von Gianfranco Frattini für Acerbis stammen. Bei der Wandverkleidung hinter den Bücherregalen ließ sich die Designerin von handgeschöpftem venezianischem Marmorpapier inspirieren.

Urquiola hat sich für die Zusammenarbeit mit Molteni&C entschieden, weil das Unternehmen „ein hohes Qualitätsniveau bei Material und Arbeit“ an den Tag legt und sie bereits erfolgreich mit der Marke zusammengearbeitet hat. Zu den Projekten gehört ihr Entwurf für den japanischen Flagship-Store von Molteni&C in Tokio.

Was die Entscheidung des Ca‘ di Dio betrifft, mit Urquiola zusammenzuarbeiten, verweist Geschäftsführer Christophe Mercier auf die enge Bindung der Designerin zu Venedig („Hier hat sie geheiratet“, so Mercier) und auf ihre beeindruckende Designvision für das Hotel.

Die Hotelbar des neuen Ca' di Dio in Venedig mit Terrazzoboden, einer Barfront aus schwarzem Marmor und rot gepolsterten Stühlen an Rundtischen. Hotelarchitektur und Inneneinrichtung von Patricia Urquiola
In der Bar erinnern Terrazzoböden, Walnussholzverkleidungen, wunderschön geäderter schwarzer Portoro-Marmor und satte Farben an das, was Urquiola als „das Venedig der Nobelpaläste“ beschreibt. Die Leuchten über der Bar entwarf sie zusammen mit einer Muranoglaserei.

„Patricia war sehr darauf bedacht, den Geist von Ca‘ di Dio als venezianisches Haus zu respektieren und zu bewahren“, erinnert sich Mercier und lobt ihre „Interpretation der eleganten und noblen venezianischen Wurzeln“.

Hier erzählt Patricia Urquiola Introspective mehr über dieses durch und durch venezianische Refugium.

Gästezimmer im neuen Hotel Ca' di Dio in Venedig mit maßgefertigten Betten, Sesseln, Sofas und kleinen Tischen, die Patricia Urquiola zusammen mit Molteni entworfen hat, und Blick durch das Fenster auf das Kloster San Giorgio Maggiore auf der anderen Seite des Canal Grande
Mit seiner hervorragenden Lage bietet das Hotel wunderbare Ausblicke. Im Fenster: das von Andrea Palladio entworfene Kloster San Giorgio Maggiore auf der gleichnamigen Laguneninsel.

Die Farbpalette: nüchtern und dezent, mit Schattierungen und Transparenz in einem fließenden Spiel ständiger Bewegung – genau wie das Wasser der Lagunenstadt. Die Idee dahinter: das Venedig der verborgenen Gassen aus alten Backsteinen mit dem Venedig der Nobelpaläste in Kontrast zu setzen und letztendlich zu vereinen. Ich habe Materialien gewählt, die für die Stadt und ihre Traditionen stehen: Glas, Holz, Schmiedeeisen, Stein und Marmor.

Hotellobby des neuen Ca' di Dio in Venedig mit halbkreisförmigen Sofas von Patricia Urquiola, einem wellenförmigen Leuchter aus Muranoglas und einem ebenfalls von Patricia Urquiola gestalteten Interieur
In der Lobby des Hotels – in der ehemaligen Kapelle – gesellen sich Urquiolas „Gogan“-Sofas für Moroso zu Sesseln mit Faßrücken und niedrigen Tischen, die die Designerin für Cassina entworfen hat. Auch die Sessel im Hintergrund stammen von Cassina und wurden von Gio Ponti designt. Der antike Tisch im hinteren Teil des Raumes, mit einem Sockel aus Walnussholz und einer Platte aus Rosa Peralba-Marmor, stand bereits in dem Gebäude.

Die Kunst der Kombination: In der Lobby, einem der ältesten Bereiche des Ca‘ di Dio, treffen moderne Teppiche, leichte Vorhänge und ein großer skulpturaler Kronleuchter aus Muranoglas auf die historische Architektur der ehemaligen Kapelle mit ihren Schreinen, Altären und Nischen.

Das neue venezianische Hotel Ca' di Dio aus der Feder von Patricia Urquiola. Glastüren mit runder Prägung im Stile des venezianischen „vetro piombato“
Urquiola probierte im Hotel verschiedene Techniken der venezianischen Glaskunst aus. Bei der Gestaltung dieser Türen formten die Handwerker das geschmolzene Glas mithilfe von Walzen, wodurch ein Effekt entstand, der an die venezianische Glaskunsttechnik des „vetro piombato“ (verbleites Glas) erinnert. Urquiola hat Bank und Sitze eigens für das Hotel entworfen.

Der Teufel steckt im Detail: Die Türen zwischen Lobby und Lesezimmer sind das Ergebnis eines handwerklichen Experiments, bei dem das Glas mit Walzen geformt wurde. Sie sollen an die traditionelle venezianische Glasmalerei, vetro piombato, erinnern.

Der Vintage-Fund: Der antike Tisch in der Lobby, der sich bereits im Gebäude befand, ist eine Leihgabe aus der Sammlung der städtischen Istituzioni Pubbliche di Assistenza Veneziane. Er ist mit Büchern und Monographien über Venedig bestückt.

Das Pièce de Résistance: In einem Raum zwischen dem Restaurant und dem Innenhof hängt unter einem roten Kronleuchter aus Muranoglas ein „Bric“-Tisch von Mario Bellini für Riva 1920. Er verkörpert den venezianischen Geist auf das Wunderbarste, denn er ist aus massivem Eichenholz gefertigt – und damit aus demselben Holz wie die briccole, die Pfähle also, auf denen Venedig bis heute steht.

Dachterrasse der Altana-Suite im neuen Hotel Ca' di Dio in Venedig, mit Blick auf das Kloster San Maggiore und die gleichnamige Insel jenseits des Canal Grande.
Die Dachterrasse einer der Altana-Suiten bietet einen Blick auf die Kanäle, die Lagune und die Insel San Giorgio Maggiore.

Das perfekte Zimmer: eine der beiden Altana-Suiten mit privater Dachterrasse und freiem Blick auf die venezianische Lagune, von der Insel San Giorgio Maggiore über die Punta della Dogana bis zum Markusplatz.

Patricia Urquiola – Schnellauswahl

Patricia Urquiola für Glas Italia, Kaffeetisch Liquefy, neu, designt in 2018
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Patricia Urquiola für Glas Italia, Kaffeetisch Liquefy, neu, designt in 2018

„Das Schöne an diesem Tisch ist, wie sich das gehärtete und extraleichte Glas verändert, je nachdem, aus welcher Perspektive man es anschaut. Die Maserung ist dynamisch und changierend – fast sieht das Glas wie Marmor aus.“

Patricia Urquiola für Cassina, modulares Sofa Bowy, neu, designt in 2018
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Patricia Urquiola für Cassina, modulares Sofa Bowy, neu, designt in 2018

„Am Bowy mag ich die weichen und einladenden Kurven und dass man mit den Modulen spielen und sie immer wieder neu zusammenstellen kann.“

Gio Ponti für Molteni&C, Stuhl Montecatini, neu, designt in 1935
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Gio Ponti für Molteni&C, Stuhl Montecatini, neu, designt in 1935

„Dieser Stuhl ist sehr besonders, denn er ist auf das Gebäude abgestimmt, für das Ponti ihn entworfen hat: der Palazzo Montecatini. Als Büroobjekt ist er aus robustem Material gefertigt, hat aber ein fragiles Design.“

Gio Ponti für Molteni&C, Sessel aus zweifarbigem Canvas, neu, ursprünglich in den 1950er-Jahren designt
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Gio Ponti für Molteni&C, Sessel aus zweifarbigem Canvas, neu, ursprünglich in den 1950er-Jahren designt

„Ich mag dieses Objekt wegen seines innovativen Designs sehr: die ovale Form des Sitzes und der Rückenlehnen und seine innovativen Materialien – Kunstleder und geschwungenes Holz.“

Carlo Scarpa für Venini, Wandleuchte Poliedri, 1950
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Carlo Scarpa für Venini, Wandleuchte Poliedri, 1950

„An der Poliedri-Leuchte von Scarpa, die wir im Lesezimmer des Ca‘ di Dio eingesetzt haben, liebe ich vor allem die unendlichen Möglichkeiten: Dasselbe Modul kann als Hängelampe oder als Wandleuchte dienen.“

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