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Stefanie Schneider
Mein eigenes privates Reisetagebuch – Bishop, Kalifornien – Herbst

2001

Angaben zum Objekt

Mein eigenes privates Reisetagebuch - Bishop, CA - Herbst - 2001, 20x29cm, Auflage: 10 Exemplare, plus 2 Artist Proofs. Archiv-C-Print, basierend auf einem Polaroid-Dia. Unterschriftenlabel und Zertifikat. Nicht montiert. DAS LEBEN IST EIN TRAUM (Die persönliche Welt von Stefanie Schneider) von Mark Gisbourne Projektion ist eine Form der Erscheinung, die für unsere menschliche Natur charakteristisch ist, denn das, was wir uns vorstellen, übersteigt fast immer die Realität dessen, was wir leben. Und eine Erscheinung ist, wie das Wort schon sagt, im wahrsten Sinne des Wortes ein "Erscheinen", denn das, was wir uns vorzustellen scheinen, wird weitgehend durch die Vorstellung von seiner Erscheinung geprägt. Wenn das tautologisch klingt, dann ist es so. Doch bei Stefanie Schneider geht es fast immer um Zufall und Erscheinung. Ihre Bilderzählungen oder Fotoromane entstehen mit den Mitteln der Fotografie, dem offensichtlichsten aller bildbasierten Medien. In der Tat ist die traditionelle Fotografie (im Unterschied zur neuen digitalen Technologie) buchstäblich ein "Warten" auf eine Erscheinung, entsprechend dem vorgestellten Bild, das in der Kamera entsteht und später in der Dunkelkammer entwickelt wird. Die Tatsache, dass Schneider für ihre Aufnahmen veraltete Polaroid-Filme verwendet, verstärkt den Eindruck des Erscheinungsgehalts der Bilder noch, wenn sie realisiert werden. Die Stabilität entsteht erst dann, wenn die Bilder im Studio neu aufgenommen und entwickelt werden und dadurch vorübergehend in Raum und Zeit fixiert oder festgehalten werden. Der unvorhersehbare und zuweilen instabile Film, den sie für ihre Werke verwendet, schafft auch ein Gefühl des Zufalls innerhalb des Ergebnisses, das sich die Künstlerin Schneider vorstellen kann oder das sie potenziell vorhersehen kann. Aber diese zufällige Manifestation ist ein locker kontrollierter oder besser gesagt existenzieller Sinn des Zufalls, der durch die unmittelbaren Umstände ihres Lebens und das Projekt, das sie gerade in Angriff nimmt, vorbestimmt wird. Die Entscheidungen, die sie trifft, sind daher größtenteils Entscheidungen mit offenem Ausgang, die von ihrer persönlichen Natur und Veranlagung bestimmt werden und ein zweites Auftreten der Dinge zulassen, deren letztendliches Ergebnis unbestimmt bleibt. Und es ist die Verbindung der zufallsgesteuerten materiellen Erscheinung des Polaroidfilms, die sich wiederum explizit mit den Erfahrungen ihrer persönlichen Lebensumstände verbindet, die das Potential für Stefanie Schneiders offene Erzählungen hervorruft. Es handelt sich also um Geschichten, die auf degenerierten materiellen und menschlichen Bedingungen beruhen, mit einem inhärenten Pessimismus und einem Gespür für das Gefühl der erhabenen Lächerlichkeit, dem man scheinbar ausgesetzt ist. Dies wiederum ist ein Echo und eine Verdoppelung der Bedeutung des Verbs "aufdecken". Die Entlarvung ist in den technischen fotografischen Prozess ebenso eingebettet wie in den erzählerischen Inhalt von Schneiders Foto-Roman-Exposés. Ersteres ist der instabile Ausgangspunkt, letzteres sind die ungewissen Enden oder Bedeutungen, die durch die doppelte Belichtung der Fotos entstehen. Die zahlreichen spekulativen Theorien der Erscheinung, wörtlich gelesen als das, was erscheint, und/oder der kreativen Visionen im Film und in der Fotografie liegen auf der Hand und brauchen uns hier nicht aufzuhalten. Doch seit den Anfängen der Fotografie beschäftigen sich Künstler mit manipulierten und/oder zufälligen Effekten, sei es, um den Betrachter zu täuschen, oder mit den alchemistischen Untersuchungen, die jemand wie Sigmar Polke betreibt. Um all das geht es der Künstlerin und Fotografin Stefanie Schneider jedoch nicht, vielmehr interessiert sie sich für das, was die zufälligen Erscheinungen auf ihren Fotografien andeuten. Schneiders Arbeiten befassen sich mit den undurchsichtigen und porösen Inhalten menschlicher Beziehungen und Ereignisse. Die materiellen Mittel sind weitgehend der Mechanismus, um das "lächerliche Erhabene" zu erreichen und offenzulegen, das die zeitgenössischen Affekte unserer Welt zunehmend beherrscht. Die unsicheren Bedingungen der heutigen Kämpfe, in denen die Menschen versuchen, miteinander - und mit sich selbst - in Beziehung zu treten, werden in ihrem Werk deutlich. Dass sie dies vor dem Hintergrund des so genannten "amerikanischen Traums" und der angeblich fortschrittlichen Kultur des modernen Amerikas tut, macht die Fotografien umso eindringlicher und kritischer. Von ihren frühesten Arbeiten aus den späten neunziger Jahren an könnte man geneigt sein, ihre Fotografien als einen konzertierten Versuch einer investigativen oder analytischen Serialisierung oder, besser noch, einer psychoanalytischen Sezierung der verschiedenen und besonderen Genres der amerikanischen Subkultur zu betrachten. Aber das wäre zu kurz gegriffen, denn die Serien haben zwar Daten und spätere Veröffentlichungen bleiben in gewisser Weise unvollendet. Schneiders Arbeit hat wenig oder gar nichts mit Reportage im eigentlichen Sinne zu tun, sondern mit der Aufzeichnung der menschlichen Kultur in einem Zustand der Fragmentierung und des Entgleitens. Und wenn sich eine Fotografin wie Diane Arbus speziell mit dem Anomalen und Eigenartigen des amerikanischen Vorstadtlebens beschäftigte, so berührt das Werk von Schneider die Entfremdung des Alltäglichen. Das heißt, dass die banalen Stereotypen der Western Americana entleert wurden und die Behauptung, dass ihnen eine Bedeutung innewohnt, auf seltsame Weise verdrängt wurde. Ihre Fotografien loten das Vertraute, das oft eng mit dem traditionellen amerikanischen Filmgenre verbunden ist, immer wieder neu aus und machen es völlig unvertraut. Natürlich hätte Freud dies einfach als das Unheimliche bezeichnet. Aber auch hier spielt Schneider fast nie die Rolle des Psychologen und versucht auch gar nicht, den fotografischen Inhalten ihrer Bilder eine bestimmte Bedeutung zu geben. Die Werke weisen eine bearbeitete Verhaltenserzählung auf (sie hat Entscheidungen getroffen), aber es besteht nie das Gefühl, dass es eine klar definierte Geschichte gibt. Die Ungewissheit meiner Lesart, die ich hier vorstelle, wirkt wie ein Vorbehalt gegenüber dem Zustand, den Schneiders Fotografien hervorrufen. Die Schauplätze ihrer Bilderzählungen sind stets der Südwesten der Vereinigten Staaten, meist die Wüste und deren Randgebiete in Südkalifornien. Die Wüste ist ein schwer identifizierbarer Raum, und die Grenzen der Vorstädte, wo die Besiedlung auf die Wüste trifft, sind es noch mehr. Es gibt bestimmte Unterthemen, die Schneiders Werk gemeinsam sind, nicht zuletzt das des Reisens, des Unterwegsseins, des Gefühls des Umherziehens und des Umherziehens oder einfach der Ziellosigkeit. Daneben tauchen immer wieder strukturelle Nebenfiguren auf, die Tankstelle, das Auto, das Motel, der Highway, der Revolver, Logos und Beschriftungen, die Einöde, die isolierte Bahnstrecke und der Wohnwagen. Wenn diese eine lose definierte Struktur bilden, in die menschliche Charaktere und Ereignisse hineingeworfen werden, dann bleibt Schneider immer der Dreh- und Angelpunkt und der Mechanismus ihrer Exposition. Manchmal nutzt Schneider Schauspielerinnen, Freunde, ihre Schwester, Kollegen oder Liebhaber, um die zufälligen Ereignisse zu beobachten. Und das sogar dann, wenn sie bei ihren Fotoromanen selbst vor der Kamera steht. Es ist die Fähigkeit zu warten und die Dinge dem Zufall und unvorhersehbaren Umständen zu überlassen, die die Entwicklung ihrer Arbeit in den letzten acht Jahren kennzeichnet. Es ist das Mittel, mit dem zufällige Ereignisse in ihrem Werk einen so aussagekräftigen Sinn von Schwangerschaft annehmen. Die größte Nähe zu Schneiders fotografischem Werk besteht jedoch in der Analogie zum Film. Denn viele ihrer Titel leiten sich direkt vom Film ab, in Fotoserien wie OK Corral (1999), Vegas (1999), Westworld (1999), Memorial Day (2001), Primary Colours (2001), Suburbia (2004), The Last Picture Show (2005) und in anderen Beispielen. Zu ihren Werken gehören auch bestimmte Bilder mit dem Titel Zabriskie Point, eine Fotografie ihrer Schwester mit einer orangefarbenen Perücke. Der vorläufige Titel der vorliegenden Publikation Stranger Than Paradise ist dem gleichnamigen Film von Jim Jarmusch aus dem Jahr 1984 entnommen. Es wäre jedoch gefährlich, diesen Vergleich zu weit zu treiben, da ihre Serie 29 Palmen (1999) den späteren Titel eines Films vorwegnimmt, der erst 2002 erschien. Was ich damit sagen will, ist, dass der Film den Nexus der amerikanischen Kultur bildet, und es geht nicht so sehr darum, dass Schneiders Fotografien spezifische Bezüge zu diesen Filmen herstellen (auch wenn sie das in einigen Fällen tun), sondern dass sie mit diesen Bezügen auf dieselbe amerikanische Kultur zugreift, die in ihren Fotoromanen entleert und untersucht wird. Kurz gesagt, ihre Bilderzählungen entkleiden die Filme von den stereotypen Hollywood-Tropes, die viele von ihnen aufweisen. Die Filme, die sie am meisten inspiriert haben, sind diejenigen, die in ähnlicher Weise denselben sentimentalen und zunehmend geschmacklosen "American Dream" dekonstruieren, mit dem Hollywood hausieren geht. Dazu gehören Filme wie David Lynchs Blue Velvet (1986), Wild at Heart (1990), The Lost Highway (1997), John Dahls The Last Seduction (1994) oder Filme wie Ridley Scotts Thelma und Louise mit all seinen Klischees von Bonny und Clyde, die auf Frauenpower setzen. Aber sie dienen nur als Kulisse, als eine Art allgemeines Tableau, aus dem Schneider menschliche und abstrakte Elemente entnehmen könnte, denn als kommerzielle Filme sind sie nicht das Produkt eines bloßen Zufalls und einer zufälligen Begebenheit. Ungeachtet dieser Beobachtung ist es auch klar, dass die Geschlechterdekonstruktion, die die Figuren in diesen Filmen so oft darstellen, nämlich die aktive Rolle der Frau, die über eine freie und autonome Sexualität verfügt (sogar das Opfer wird zum Vamp), häufig in den Verhaltensweisen, die in Schneiders Fotografien und DVD-Sequenzen stattfinden, Widerhall findet; dasselbe Gefühl der sexuellen Autonomie, das Stefanie Schneider besitzt und dem sie sich persönlich verpflichtet fühlt. In der 1999 begonnenen Serie 29 Palms spielen die beiden Frauenfiguren Radha und Max ein ebenso infantiles wie pubertäres Szenario durch. Sie tragen knallbunte, falsche Perücken in Gelb und Orange, eine Parodie auf Blondinen und Rothaarige, und sind scheinbar weißer Abschaum aus dem Wohnwagenpark mit einem sentimentalen und kitschigen Kleidungsgeschmack, der dem Ort völlig unangemessen ist. Die Tatsache, dass Schneider darüber kein Urteil abgibt, ist ein interessanter Nebeneffekt. Die fotografische Projektion der Bilder ist in der Tat so, dass die Mädchen glauben, dass sie sowohl schön als auch begehrenswert sind. Doch im Gegensatz zur räuberischen Rolle der Frau in den Fotografien von Richard Prince, die lediglich eine Projektion der männlichen Fantasie auf die Frauen sind, sind Radha und Max in ihrer leeren, wenn auch leeren Wohnwagen- und Motelwelt mit Swimmingpool, Nagellack und kindlichen Wasserpistolen in sich geschlossen. Innerhalb der fotografischen Sequenz schließt Schneider sich selbst ein und fungiert als Punkt der Unterbrechung. Warum steht sie vor einem Club der Offiziersfrauen? Warum ist Schneider nicht in ähnlicher Weise gekleidet? Gibt es eine Nähe zu einem Armeelager, sind diese Möchtegern-Lolitas die Ehefrauen von Rahda und Max oder amerikanische Marine-Groupis, und wo liegt das Zentrum und der Schwerpunkt ihrer Identität? Es ist die Zweideutigkeit der persönlichen Verstrickung, die Schneider bewusst herstellt und die jede eindeutige narrative Konstruktion problematisch macht. Die seltsam virulenten Farben der ausgebleichten Mädchen stehen in deutlichem Kontrast zu Schneiders anodischem Selbstverständnis. Identifiziert sie sich mit dem Inhalt oder steuert sie das Szenario? Mit dieser Serie schafft Schneider vielleicht mehr als mit jeder anderen das Gefühl einer Welt, die ein gewisses Maß an symbolischer Ordnung hat. Die Mädchen stehen oder hocken zum Beispiel an einem Feldweg und stellen die Frage nach ihrem sexuellen und persönlichen Status. Im Anschluss an die Serie 29 Palms wird Schneider sich zunehmend darauf verlassen, dass der Eindruck einer inszenierten Umgebung verschwindet. Die kommenden Ereignisse werden Ihnen alles und nichts verraten, sie enthüllen und vernebeln, sie weisen auf eine klar definierbare Bedeutung hin und entfernen sich gleichzeitig von ihr. Wenn wir zum Beispiel 29 Palms mit Hitchhiker (2005) vergleichen, wo die sexuellen Inhalte offenkundig gemacht werden, finden wir nicht dasselbe Gefühl von simulierter Identität. Es handelt sich um das Zusammentreffen der beiden Protagonisten Daisy und Austen, die sich auf der Straße begegnen und später gemeinsam einen Wohnwagen bewohnen. In einer sequenziellen DVD und einem Standbildformat werden wir Teil einer vermeintlichen Beziehung. Es gibt keine Informationen über den Hintergrund oder die soziale Herkunft oder gar Gründe, warum sich diese beiden Frauen zueinander hingezogen fühlen. Wird es ausgelebt? Handelt es sich um Erfahrungen aus dem wirklichen Leben? Sie sind Frauen, die sich sexuell frei ausdrücken können. Doch während die anfängliche Auseinandersetzung mit dem Thema von Schneider inszeniert und das bearbeitete Ergebnis von der Künstlerin bestimmt wird, haben wir darüber hinaus nur wenige Informationen, mit denen wir eine Geschichte konstruieren können. Die Ereignisse sind alltäglich, kantig und unsicher, aber es bleibt dem Betrachter überlassen, zu entscheiden, was sie als Erzählung bedeuten könnten. Die zersplitterten Emotionen des Werks werden sichtbar, das Spiel oder Rollenspiel, die vergänglichen Fantasien spürbar, und doch ist alles gleichzeitig substanzlos und könnte jeden Moment auseinanderfallen. Die Figuren stehen in Beziehung zueinander, aber sie stellen keine Beziehung in einem sinnvollen Sinne dar. Oder wenn doch, dann ist es ein zufälliges Zusammentreffen von Emotionen. Sollte es eine beabsichtigte Syntax geben, so ist es eine, die der Macht beraubt wurde, das Erlebte grammatikalisch zu strukturieren. Und das scheint der zentrale Punkt des Werks zu sein, die Entleerung nicht nur eines bestimmten amerikanischen Lebensstils, sondern die Andeutung, dass die Gründe, auf denen er einst beruhte, nicht mehr möglich sind. Der Fotoroman Hitchhiker ist porös und die Kultur der siebziger Jahre, der er gewissermaßen huldigt, ist nicht mehr haltbar. Vielleicht nicht ganz zufällig das Jahrzehnt, in dem der Polaroidfilm zum letzten Mal allgegenwärtig war. In den zahlreichen Fotoserien, etwa zwanzig an der Zahl, die zwischen 29 Palms und Hitchhiker entstanden sind, hat Schneider viele Aspekte der Vorstädte, der Peripherie und des Buschlands in Amerika unter die Lupe genommen. Ihre Figuren, auch sie selbst, stehen nie im Mittelpunkt des kulturellen Geschehens. Die Exzentrik, die sie vielleicht haben, leitet sich von dem ab, was man als ihre Nachbarschaft zur dominanten Kultur Amerikas bezeichnen könnte. In der Tat sind ihre Arbeiten oft mit Verweisen auf die sentimentalen Unterschichten gesättigt, die so viel des amerikanischen Alltagslebens untermauern. Das gilt sowohl für die Blumengärten und Haushaltsgegenstände ihrer Fotoserie Suburbia (2004) als auch für die Übergangs- und Umweltbedingungen, die in The Last Picture Show (2005) dargestellt werden. Die Verwendung von sentimentalen Songtiteln, die oft von Schneider für einzelne Bilder einer Serie adaptiert werden, zeigt das Bewusstsein der Künstlerin für die enge Beziehung zwischen populärem Film und Musik in Amerika. So wird beispielsweise das Lied Leaving on a Jet Plane" zu Leaving in a Jet Plane" als Teil der Serie The Last Picture Show", während die Buchstäblichkeit des Flugzeugs am Himmel in einem Element dieses Diptychons gezeigt wird, aber einer blondperückten Figur gegenübergestellt wird, die zum ersten Mal in 29 Palms" zu sehen ist. Das bedeutet, dass jedes potenzielle narrative Element in einer Geschichte ohne Ende immer wieder neu zugewiesen werden kann. Und die Austauschbarkeit der Bilder, wie ein Traum, ist der Zustand eines bildlichen und affektiven Flusses, der Schneiders Fotoerzählungen zugrunde liegt. Denn der Traum ist ein Ort der Sehnsucht oder des Verlangens, entweder mit oder ohne ihn zu sein, ein menschliches Streben nach einer rastlosen, aber ungewissen Alternative zu unserer täglichen Realität. Die Szenarien, die Schneider entwirft, müssen jedoch von der Künstlerin initiiert werden. Und das lässt sich vielleicht am besten verstehen, wenn man sich ihre drei jüngsten, auf DVD aufgezeichneten Fotoromane Reneé's Dream und Sidewinder (2005) ansieht. Wir haben uns bereits mit der anderen namens Hitchhiker beschäftigt. Im Fall von Sidewinder wurde das Szenario durch das Internet geschaffen, wo sie J.D. traf. Rudometkin, ein ehemaliger Theologe, der ihrer Idee zustimmte, fünf Wochen lang mit ihr in der Busch- und Wüstenlandschaft Südkaliforniens zu leben. Die Dynamik und Entfaltung ihrer Beziehung, sowohl in sexueller als auch in emotionaler Hinsicht, wurde zum Hauptthema dieser Fotoserie. Die relative Isolation und die räumliche Nähe, die interaktiven Spannungen, Konflikte und Unterwerfungen werden so aufgezeichnet, um die alltägliche Entwicklung ihrer Beziehung aufzuzeigen. Dass dieses beziehungsorientierte Experiment zeitlich begrenzt war, war nicht der unwichtigste Aspekt des Projekts. Der Text und die Musik zur DVD wurden von dem Amerikaner Rudometkin geschrieben, der poetisch von "Torn Stevie" spricht. Die Narben von der Waffe an ihren Zehen seien eine zufällige Fügung des Schicksals, sagte ihr Vater. Über Vaness in Kalifornien". Die Mischung aus hipper Träumerei und fantasievoller Sprache seines Textes spiegelt den chaotischen Ablauf ihres Alltags in dieser Zeit wider und wird in den fast sonnengebleichten Polaroidbildern wie Whisky Dance deutlich, auf denen sich die beiden den frenetischen Umständen des Augenblicks hingeben. Sidewinder, ein Euphemismus sowohl für eine Rakete als auch für eine Klapperschlange, deutet auf die libidinösen und emotionalen Gefahren hin, die Schneider und Rudometkin riskierten. Vielleicht war es mehr als jeder andere ihrer Fotoromane der spontanste und unmittelbarste, da Schneiders direkte Teilnahme den Abstand zwischen ihrem Leben und dem Kunstwerk milderte und verkleinerte. Der explizite und offene Charakter ihrer Beziehung zu diesem Zeitpunkt (obwohl sie Freunde geblieben sind), wirft die Frage nach der biografischen Rolle auf, die Schneider in all ihren Arbeiten spielt. Sie macht und leitet die Arbeit und verweilt gleichzeitig in den künstlerischen Prozessen, die sich entfalten. Sie ist also sowohl Autorin als auch Figur, sie entwirft den Rahmen, in dem sich die Dinge abspielen, und unterliegt doch denselben unvorhersehbaren Ergebnissen, die sich in diesem Prozess ergeben. In Reneés Traum findet ein Rollentausch statt, da das Cowgirl auf ihrem Pferd das männliche Stereotyp von Richard Princes "Marlboro Country" untergräbt. Diese und einige andere Fotoarbeiten von Schneider untergraben weiterhin den Fokus des männlichen Blicks, denn ihre Frauen sind zunehmend autonom und subversiv. Sie stellen die männliche Rolle des sexuellen Raubtiers in Frage, übernehmen oft die Führung und untergraben das männliche Rollenspiel, indem sie sich die Angst der Männer zunutze machen, dass ihre Begierden so leicht zu erreichen sind. Die Tatsache, dass sie sich dabei an archetypischen männlichen Konventionen der amerikanischen Kultur abarbeitet, ist nicht die geringste Leistung in ihrem Werk. Wir werden häufig mit einer Idylle konfrontiert, die sich ins Gegenteil verkehrt, mit den filmischen Klischees, die Hollywood und amerikanische Fernsehdramen seit fünfzig Jahren propagieren. Dass dies im romantischen Westen geschieht, wo so viele der männlichen Klischees entstanden sind, trägt nur dazu bei, dass die Substanz, die man diesen ikonischen amerikanischen Erfindungen einst zuschrieb, immer mehr schwindet. Dass sie dies mit fotografischen Bildern und nicht mit Film tut, untergräbt die Dominanz des zeitbasierten Films. Der Film tut so, als sei er nahtlos, obwohl wir wissen, dass er es nicht ist. Der Film arbeitet mit einem Storyboard und einer Kulisse, in der die Szenen aufwändig arrangiert und vorgeplant werden. Schneider ist es so gelungen, ein Genre aus fragmentarischen Ereignissen zu schaffen, das eine Geschichte ohne Drehbuch zusammensetzt. Aber diese postnarratologischen Geschichten erfordern eine weitere Komponente, und diese Komponente ist der Zuschauer, der seine eigene Interpretation des Geschehens einbringen muss. Wenn dies als Vorteil ihrer Arbeit angesehen werden kann, so besteht der Nachteil darin, dass sie sich nie mit einer persönlichen Meinung zu den Ereignissen in ihren Fotografien äußert. Aber vielleicht ist dies nichts anderes als ihre Nutzung der Operation des Zufalls diktiert. Ich habe zu Beginn dieses Aufsatzes von den Erscheinungsinhalten der Bilderzählungen Stefanie Schneiders gesprochen und meinte damit die buchstäblichen und zufallsgesteuerten "erscheinenden" Qualitäten ihrer Fotografien. Vielleicht sollten wir in diesem Moment auch an den metaphorischen Inhalt des Wortes Erscheinung denken. Es gibt sicherlich auch eine gespenstische Qualität, eine geisterhafte Ungewissheit über viele der menschlichen Erfahrungen, die in ihrem Thema vorkommen. Ist die Subkultur des amerikanischen Traums oder der Lebensstil, den Schneider aufgezeichnet hat, seinerseits auch zum Phantom seiner selbst geworden? Sind diese leeren und fragmentierten Szenarien ein Spiegel dessen, was aus dem heutigen Amerika geworden ist? Es gibt sicherlich eine gewisse Zuneigung seitens des Künstlers zu ihren Inhalten, aber sie ist irgendwie mit Pessimismus und der Unmöglichkeit nachhaltiger menschlicher Beziehungen, mit den ausschweifenden und kommerziellen Ablenkungen des heutigen Amerikas behaftet. Ob das so ist, oder zumindest von Schneider so wahrgenommen wird, ist schwer zu beurteilen. Viele ihrer Figuren sind von einer trostlosen Trägheit geprägt. Andererseits hat sich die Künstlerin über einen langen Zeitraum so in diesen Kontext eingelebt, dass die Grenzen zwischen den fotografierten Ereignissen und Geschehnissen und dem persönlichen Leben von Stefanie Schneider ähnlich undurchsichtig geworden sind. Handelt es sich um die Diagnose eines Zustands oder nur um die Aufzeichnung eines Phänomens? Diese Frage kann nur der Betrachter entscheiden. Denn der Status von Schneiders gewissem Gefühl der Ungewissheit ist vielleicht die einzige Wahrheit, die wir jemals kennen werden.

1 Kerry Brougher (Hrsg.), Kunst und Film seit 1945: Hall of Mirrors, Ausstellungskatalog, Museum für zeitgenössische Kunst (New York, 1996) 2 Im Reich der Phantome: Fotographie des Unsichtbaren, Städtisches Museum Abteiberg Mönchengladbach/Kunsthalle Krems/FotomuseumWinterthur, (Ostfildern-Ruit, 1997) 3 Fotowerke: Wenn Bilder verschwinden - Sigmar Polke, Museum für Gegenwartskunst (Zürich-Berlin-New York, 1995) 4 Slavoj Žižek, Die Kunst des lächerlichen Erhabenen: Über David Lynchs "Lost Highway", Walter Chapin Simpson Center for the Humanities, University of Washington, Seattle, Occasional Papers, Nr. 1, 2000. 5 Diane Arbus, Hg. Doon Arbus, und Marvin Israel (New York, 1997) 6 Das Kino von David Lynch: Amerikanische Träume, Alptraumvisionen, eds. Annette Davidson und Erica Sheen (New York, 2005); Paul A. Woods, Weirdsville USA: Das obsessive Universum von David Lynch (New York, 2000); David Lynch, Barry Gifford, Lost Highway (Drehbuch, London und New York, 1997) Stefanie Schneider erhielt ihren MFA in Kommunikationsdesign an der Folkwang Schule Essen, Deutschland. Ihre Arbeiten wurden u.a. im Museum für Fotografie, Braunschweig, im Museum für Kommunikation, Berlin, im Institut für Neue Medien, Frankfurt, im Nassauischen Kunstverein, Wiesbaden, im Kunstverein Bielefeld, im Museum für Moderne Kunst Passau, bei Les Rencontres d'Arles und bei der Foto-Triennale Esslingen gezeigt.
Bombay Beach Biennale 2018.
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